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Der mächtigste Strom, welcher Tausende von Mühlen und Maschinen in Bewegung setzt, versiegt, wenn die Flüsse und Bäche versiegen, die ihm das Wasser zuführen, und diese Flüsse und Bäche versiegen, wenn die vielen kleinen Tropfen, woraus sie bestehen, in dem Regen an die Orte nicht wieder zurückkehren, von denen aus ihre Quellen entspringen.

Ein Feld, welches durch eine Aufeinanderfolge von Culturen verschiedener Gewächse seine Fruchtbarkeit verloren hat, empfängt das Vermögen, eine neue Reihe von Ernten derselben Gewächse zu liefern, durch Düngung mit Mist.

Was ist der Mist, und woher stammt der Mist? Aller Mist stammt von den Feldern des Landwirths; er besteht aus dem Stroh, welches als Streu gedient hat, aus Pflanzenresten und aus den flüssigen und festen Excrementen der Thiere und Menschen. Die Excremente stammen von der Nahrung.

In dem Brod, welches ein Mensch täglich geniesst, verzehrt er die Aschenbestandtheile der Getreidesamen, deren Mehl zur Bereitung des Brodes gedient hat, in dem Fleisch die Aschenbestandtheile des Fleisches.

Das Fleisch der pflanzenfressenden Thiere, so wie dessen Aschenbestandtheile stammen von den Pflanzen ab, sie sind identisch mit den Aschenbestandtheilen der Samen der Leguminosen, so dass ein ganzes Thier zu Asche verbrannt eine Asche hinterlässt, die von der Asche von Bohnen, Linsen und Erbsen nicht im mindesten abweicht.

In dem Brod und Fleisch verzehrt mithin der Mensch die Aschenbestandtheile von Samen, oder von Samenbestandtheilen, welche der Landwirth in der Form von Fleisch seinen Feldern abgewinnt.

Von der grossen Menge aller Mineralsubstanzen, welche der Mensch während seines Lebens in seiner Nahrung aufnimmt, bleibt in seinem Körper nur ein sehr kleiner Bruchtheil zurück. Der Körper eines erwachsenen Menschen nimmt von Tag zu Tag am Gewicht nicht zu, woraus sich von selbst ergiebt, dass alle Bestandtheile seiner Nahrung vollständig wieder aus seinem Körper ausgetreten sind.

Die chemische Analyse weist nach, dass die Aschenbestandtheile des Brodes und Fleisches in seinen Excrementen sehr nahe in eben der Menge wie in der Nahrung enthalten sind; die Nahrung verhielt sich in seinem Leib, wie wenn sie in einem Ofen verbrannt worden wäre.

Der Harn enthält die im Wasser löslichen, die Fäces die unlöslichen Aschenbestandtheile der Nahrung; die stinkenden Bestandtheile sind der Rauch und Russ einer unvollkommenen Verbrennung; ausser diesen sind unverdaute oder unverdauliche Nahrungsreste beigemengt.

Die Excremente des mit Kartoffeln gefütterten Schweins enthalten die Aschenbestandtheile der Kartoffeln, die des Pferdes die Aschenbestandtheile des Heues und Hafers, die des Rindviehes die Asche der Rüben, des Klees etc., die zu ihrer Ernährung gedient haben. Der Stallmist besteht aus einem Gemenge aller dieser Excremente zusammen.

Durch den Stallmist wird die Fruchtbarkeit eines durch die Cultur erschöpften Feldes vollkommen wieder hergestellt; dies ist eine durch die Erfahrung von Jahrtausenden vollkommen festgestellte Thatsache.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 400. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_400.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)