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und jedes Jahr mit Weizen bestellt werde, und denken wir uns den Fall, dass wir in jeder Ernte nur die Aehre von dem Halm abgeschnitten und das ganze Stroh auf dem Felde gelassen, und sogleich wieder untergepflügt hätten, so ist der Verlust, den das Feld in diesem Jahre erleidet, kleiner als zuvor, denn alle Bestandtheile des Halmes und der Blätter sind dem Felde verblieben; wir haben nur die Bodenbestandtheile des Korns dem Felde genommen.

Unter den Bestandtheilen, welche der Halm und die Blätter vom Boden empfangen haben, befinden sich alle Bodenbestandtheile der Samen, nur in einem andern Verhältniss. Wenn die in dem Stroh und Korn zusammen ausgeführte Menge Phosphorsäure durch die Zahl 3 bezeichnet wird, so ist der Verlust, wenn das Stroh dem Felde verbleibt, nur 2. Die Abnahme der Erträge des Feldes in einem folgenden Jahre steht immer im Verhältniss zu dem Verlust, den es durch die vorhergehende Ernte an Bodenbestandtheilen erlitten hat. Die nächstfolgende Ernte an Korn wird etwas grösser sein als sie ausfallen würde, wenn man das Stroh dem Felde nicht gelassen hätte; der Ertrag an Stroh wird nahe derselbe wie im vorhergehenden Jahre bleiben, denn die Bedingungen zur Stroherzeugung sind sehr wenig verändert worden.

Indem man in dieser Weise dem Boden weniger nimmt als zuvor, so wächst somit die Anzahl der lohnenden Ernten, oder die Summe des in der ganzen Reihe der Kornernten erzeugten Korns. Ein Theil der Strohbestandtheile geht über in Kornbestandtheile, und wird jetzt in dieser Form dem Felde genommen. Die Periode der Erschöpfung tritt immer, aber unter diesen Umständen später ein. Die Bedingungen zur Kornbildung nehmen stetig ab, denn die im Korn entzogenen Stoffe wurden nicht ersetzt.

Wenn man das Stroh abgeschnitten auf Schubkarren um das Feld herumgefahren, oder wenn man es als Streu in Viehställen benutzt und dann erst untergepflügt hätte, so wäre dieses Verhältniss ganz das nämliche geblieben. Was man in dieser Weise dem Felde wieder zuführte, war dem Felde genommen und bereicherte das Feld nicht. Wenn man sich denkt, dass die verbrennlichen Bestandtheile des Strohes nicht vom Boden geliefert werden, so war das Zurücklassen des Strohes auf dem Felde eigentlich nur ein Zurücklassen der Aschenbestandtheile des Strohes. Das Feld blieb um etwas fruchtbarer als zuvor, weil man demselben weniger genommen hatte.

Hätte man auch das Korn oder die Aschenbestandtheile des Korns mit dem Stroh wieder untergepflügt, oder hätte man anstatt des Weizenkorns eine entsprechende Menge eines anderen Samens, Repskuchenmehl, d. h. vom fetten Oele befreiten Repssamen, welcher die nämlichen Aschenbestandtheile enthält, dem Felde wiedergegeben, so blieb seine Zusammensetzung wie zuvor, im nächsten Jahre würde man denselben Ernteertrag wie im vorhergegangenen erhalten haben.

Wenn nach jeder Ernte in dieser Weise das Stroh immer wieder dem Felde zurückgegeben wird, so ist eine weitere Folge eine Ungleichheit in der Zusammensetzung der wirksamen Bestandtheile der Ackerkrume.

Wir haben angenommen, dass unser Boden die Aschenbestandtheile der ganzen Weizenpflanzen im richtigen Verhältniss zur Bildung der

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 394. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_394.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)