Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 375.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


worden sein, in dem sich Schattenmann’s Felder befanden, auf welchen die Anwendung von Ammoniaksalzen keine Vermehrung des Kornertrags bewirkte. Und wenn durch Zufuhr von Ammoniaksalzen oder Chilisalpeter der Ertrag eines Feldes als Korn und Stroh gesteigert wird, so ist der nächste Grund immer der, dass ein Theil mehr von der Summe der im Felde vorhandenen Bodenbestandtheile übergangsfähig in die Pflanze und darum wirksam geworden ist; ohne diesen Ueberschuss würden die Ammoniaksalze und der Chilisalpeter keine Wirkung gehabt haben.

Ein Feld, welches durch Düngung mit diesen Salzen einen höheren Ertrag ein Jahr oder mehrere Jahre lang geliefert hat, nimmt an Fruchtbarkeit für künftige Ernten ab; denn fruchtbar bleiben könnte es nur dann, wenn die Bedingungen der Fruchtbarkeit sich gleich geblieben wären, so wie es denn auch nur fruchtbarer werden kann, wenn diese Bedingungen vermehrt werden. In den Mehrerträgen der durch Ammoniaksalze oder Chilisalpeter gewonnenen Ernten hat man aber die Bestandtheile des Bodens, die zu Korn und Stroh geworden sind, hinweggenommen und das Feld ist nach der Ernte daran ärmer wie zuvor geworden.

Die Erfahrung zeigt, dass die Erträge der Felder in derselben Gegend sehr ungleich sind, auch wenn sie die nämliche Menge an verwesenden organischen Materien und Stickstoff enthalten. Die eine Wiese liefert doppelt, dreimal mehr Heu als unter denselben äusseren Verhältnissen die gleich grosse Fläche einer andern Wiese. Ein Morgen Kleefeld liefert drei, viermal mehr Kleeheu als ein Morgen eines anderen Kleefeldes.

Die Ursachen dieser ungleichen Ertragsfähigkeit sind immer und überall dieselben.

Zwei Feldern von gleicher Oberfläche führt die Atmosphäre eine gleiche Menge Kohlensäure und Ammoniaktheilchen zu, aber auf der Oberfläche des fruchtbareren Feldes wird dennoch zwei, drei, viermal mehr Kohlenstoff und Stickstoff in der Form von Wiesen- oder Kleeheu geerntet als auf dem andern; es ist klar, dass der Grund des Mehrertrags nicht in der Luft, sondern im Boden liegt.

Der fruchtbarere Boden gab an die Pflanze zwei, drei, viermal mehr Bodenbestandtheile für ihre Ernährung ab; es sind mehr Bodenbestandtheile der Menge oder ihrem übergangsfähigen Zustande nach darin vorhanden gewesen.

Wenn wir uns denken, dass die Atmosphäre in einem Jahre zwei ungleich fruchtbaren Kleefeldern oder Wiesen, in denen also das eine eine grössere Summe von Bodenbestandtheilen enthält als das andere, die doppelte, drei- oder vierfache Menge von Ammoniak zuführe als sie sonst empfangen, und dass der Ertrag derselben hierdurch gesteigert werde, so wird der Mehrertrag der beiden Felder immer ungleich, der des fruchtbareren Feldes wird immer höher als der des minder fruchtbaren und zwar in demselben Verhältnisse höher sein, denn die Bedingungen der Fruchtbarkeit des Bodens sind der Menge nach in beiden Feldern unverändert geblieben.

Die Erhöhung der Erträge eines Feldes durch Zufuhr von Ammoniak oder dessen Salzen setzt nothwendig voraus, dass die Bedingungen der

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 375. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_375.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)