Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 358.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Sehr bemerkenswerth ist der Reichthum an Mineralbestandtheilen in dem Sumpfwasser, denn die Menge derselben ist über 10mal grösser als in dem Drainwasser und über 25- bis 30mal grösser als im Quellwasser; in seinem qualitativen Gehalt stellt dieses Wasser ein Mineralwasser dar, wie es ausser in Sümpfen wohl in der Natur nicht vorkommen mag.

Der Gehalt dieses Wassers an Kali, Phosphorsäure, Schwefelsäure, Kieselsäure und Eisen erklärt sich ohne Schwierigkeit. In einem Sumpfe sammeln sich nach und nach eine Menge Ueberreste, von absterbenden Pflanzengenerationen an, deren Wurzeln vom Boden eine Menge von Mineralbestandtheilen empfangen haben; diese Pflanzenreste gehen auf dem Boden des Sumpfes in Verwesung über, d. h. sie verbrennen und ihre unorganischen Elemente oder ihre Aschenbestandtheile lösen sich unter Mitwirkung von Kohlensäure und vielleicht von organischen Säuren im Wasser und bleiben darin gelöst, wenn der umgebende Schlamm und die Erde, die mit dieser Lösung in Berührung ist, sich damit gesättigt haben.

Es hat sich in der That herausgestellt, dass dieses kalihaltige Sumpfwasser, wenn es durch Erde filtrirt wird, die etwa einen Fuss ab vom Rande des Wasserbeckens genommen worden war, seinen Kaligehalt nicht verliert, während dem nämlichen Wasser das Kali von jeder anderen Erde mit Schnelligkeit entzogen wird.

An vielen Orten wird der Schlamm aus Teichen, stehenden Wassern und manchen Sümpfen als ein treffliches Mittel hochgeschätzt, um die Felder zu verbessern und ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen. Es ist klar, dass eine solche Art von Schlamm gleich einer Ackerkrume wirkt, welche mit gelösten Pflanzennahrungsmitteln oder Dungstoffen in Berührung, so viel davon aufgenommen hat, als sie überhaupt aufnehmen kann, und ihre Wirkung findet in der Beschaffenheit des Sumpfwassers eine genügende Erklärung.

Es ist zuletzt begreiflich, wenn in manchen Acker- und Gartenerden Pflanzenreste sich anhäufen und verwesen, dass das Wasser, welches diesen Boden durchdringt, viele Substanzen auflöst, die sich sonst in Mineralwässern nicht vorfinden.

Zu den beschriebenen chemischen Eigenschaften der Ackererde gesellt sich eine physikalische, welche nicht minder merkwürdig und einflussvoll ist. Dies ist das Vermögen derselben, der feuchten Luft den Wasserdampf zu entziehen und in ihren Poren zu verdichten. Man wusste zwar seit langem schon, dass die Ackererde zu den den Wasserdampf sehr stark anziehenden Substanzen gehört, allein erst durch v. Babo haben wir erfahren, dass sie in dieser Eigenschaft der concentrirten Schwefelsäure gleichgestellt werden muss, welche sie unter allen im stärksten Grade besitzt. Bringt man einige Unzen Ackererde bei einer nicht höheren Temperatur als 35 bis 40° C. getrocknet in eine Flasche mit Luft, welche bei 20° C. vollständig mit Wasserdampf gesättigt ist, der sich also bei der geringsten Abkühlung unter diesen Temperaturgrad als Thau absetzen würde, so ist nach Verlauf von wenigen Minuten die Luft so vollständig ihrer Feuchtigkeit beraubt, welche die Erde angezogen hat, dass sie auch bei einem Kältegrad von 8 bis 10° C. kein

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_358.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)