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Der Ammoniakgehalt in den von Way analysirten Drainwassern ist ausserordentlich gering; es ist kaum möglich sich zu denken, dass 1 Pfund Ammoniak in 3½ Millionen Pfund Wasser gelöst einen bemerklichen Einfluss auf die Vegetation äussern könne.

In dem Themsewasser war dessen Quantität in einer Gallone (70,000 Grains) von vier Orten genommen nicht bestimmbar; und in dem aus der Themse bei Redhouse Battersea genommenen finden sich 3 Theile in 7 Millionen Theilen Wasser (siehe Liebig und Kopp’s Jahresber. für 1851, S. 658). Als Rieselwasser würde unstreitig das Themsewasser eine bedeutende Erhöhung des Heuertrags auf vielen Wiesen hervorbringen, aber sicherlich nicht durch die Zufuhr von Ammoniak, an welchem dieses Wasser, so wie im Allgemeinen das Fluss und Bächewasser, so arm ist.

Der Gehalt an Phosphorsäure in den Drain-, Fluss- und gewöhnlichen Quellwassern ist geradezu = Null; Krocker fand in dem Drainwasser keine Phosphorsäure, in drei Drainwassern fand Way nur Spuren, in vier andern in 7 Millionen Theilen Wasser in zwei 12, in den andern 8 und 6 Theile Phosphorsäure.

Aus dem Verhalten der Ackerkrume geht hervor, dass die Pflanze in der Aufnahme ihrer Nahrung selbst eine Rolle spielen muss; als organisches Wesen ist ihre Existenz nicht gänzlich abhängig von äusseren Ursachen.

Empfingen die Landpflanzen ihre Nahrung aus einer Lösung, so würden sie von dieser Lösung der Zeit nach im Verhältniss nur so viel aufnehmen können, als Wasser durch ihre Blätter verdunstet, sie würden nur aufnehmen können, was die Lösung enthält und zuführt. Es ist ganz gewiss, dass das Wasser, welches den Boden durchfeuchtet, so wie die Verdunstung durch die Blätter in dem Assimilationsprocesse als nothwendige Vermittelungsglieder mitwirken; allein in dem Boden besteht eine Polizei, welche die Pflanze vor einer schädlichen Zufuhr schützt; sie wählt aus was sie bedarf, und was der Boden darbietet kann nur dann in ihren Organismus übergehen, wenn eine innere, in der Wurzel thätige Ursache mitwirkt.

Es ist wahrscheinlich, dass die grösste Anzahl der Culturpflanzen darauf angewiesen ist, ihre mineralische Nahrung direct von der Ackerkrume zu empfangen, und dass ihr Bestehen gefährdet wird, dass sie verkümmern und absterben, wenn ihnen diese Bestandtheile in einer Lösung zugeführt werden.

Man findet häufig in Wiesen glatte Kalkgeschiebe, deren Oberfläche mit feinen Furchen netzartig bedeckt ist, und wenn der Stein frisch aus der Erde genommen wird, so sieht man, dass eine jede vertiefte Linie oder Furche einer Wurzelfaser entspricht, wie wenn sich diese in den Stein eingefressen hätte.

Es ist sehr schwer, sich eine Vorstellung zu machen, in welcher Weise die Pflanzen mitwirken, um die Auflösung der Mineralbestandtheile zu bewerkstelligen; dass Wasser für den Uebergang derselben unentbehrlich ist, versteht sich wohl von selbst.

Die Schwierigkeit der Erklärung darf zunächst nicht abhalten, die Thatsachen an sich nach allen Richtungen hin festzustellen und den Umfang ihres Einflusses zu ermitteln. Ausnahmen giebt es genug.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 356. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_356.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)