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fortgesetzt die Wiederkehr derselben Ernte. Dies weiss ein Bauer, der nicht lesen und schreiben kann.

Das gegenwärtige System des Feldbaues erzielt, wie behauptet wird, höhere Erträge, es erzeugt mehr Korn und Fleisch auf derselben Bodenfläche und vortheilhafter als früher; ich will dies vorläufig nicht bestreiten und es kann sich deshalb zunächst hier nicht um einen Tadel desselben handeln, sondern um die Untersuchung der Frage, ob es vernunftgemäss ist. Wenn die hohen Erträge die Folge einer Bewirthschaftung sind, wodurch das Feld allmählich die Bedingungen seiner Fruchtbarkeit verlieren muss, wodurch es verarmt und erschöpft wird, so ist das System, obwohl es denjenigen reich machen kann, welchem die höheren Erträge zufallen, nicht vernunftgemäss.

Ich weiss, dass die grosse Mehrzahl der Landwirthe die volle Ueberzeugung hat, dass ihre Art der Bewirthschaftung ihren Feldern eine ewige Dauer der Fruchtbarkeit sichere, und wenn es mir gelingt, einige Zweifel gegen diese Zuversicht zu erwecken, so habe ich ein hohes Ziel erreicht; die einfache Erkenntniss ihres Irrthums reicht hin, ihn für immer zu beseitigen.

Ich halte es zwar nicht mehr für möglich den Feldern alle diejenigen Bedingungen ihrer Fruchtbarkeit wieder zu geben, die ihnen bereits durch die seitherige Bewirthschaftung entzogen worden sind, aber es kann durch einen vernünftigen Haushalt mit den noch vorhandenen Mitteln so viel erreicht werden, dass das, was bisher geleistet worden ist, klein dagegen erscheint.

Um zu einer klaren Einsicht in das herrschende System der Bewirthschaftung zu gelangen, dürfte es nöthig sein sich an die allgemeinsten Bedingungen des Pflanzenlebens zu erinnern.

Die Pflanzen enthalten verbrennliche und unverbrennliche Bestandtheile. Die letzteren sind die Bestandtheile der Asche, welche alle Pflanzentheile nach dem Verbrennen hinterlassen; die wesentlichsten in unsern Culturpflanzen sind Phosphorsäure, Kali, Kieselsäure, Schwefelsäure, Kalk, Bittererde, Eisen, Kochsalz.

Es wird jetzt als eine unbestreitbare Thatsache angesehen, dass die Bestandtheile der Pflanzenaschen Nahrungsmittel, und demgemäss zur Bildung des Pflanzenkörpers und seiner Theile unentbehrlich sind. Aus Kohlensäure, Wasser, Ammoniak entstehen ihre verbrennlichen Elemente; sie sind als Nahrungsmittel gleich unentbehrlich.

In dem Lebensprocesse der Pflanzen bildet sich aus diesen Stoffen der Pflanzenleib, wenn die Atmosphäre und der Boden die ebengenannten Bedingungen in der angemessenen Menge und im richtigen Verhältniss gleichzeitig darzubieten vermögen.

Die atmosphärischen Elemente ernähren nicht ohne gleichzeitige Mitwirkung der Bodenbestandtheile, und die letzteren sind wirkungslos, wenn es an den ersteren fehlt; beide müssen immer zusammen sein, wenn die Pflanze wachsen soll.

Es versteht sich hiernach von selbst, dass kein einzelner der genannten Pflanzennahrungsstoffe einen Werth vorzugsweise vor dem andern hat, sie sind für das Pflanzenleben gleichwerthig. Für den Landwirth, welcher zur Erreichung seiner Zwecke dafür sorgen muss, dass seine

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_347.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)