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anderes in zwanzig, ein anderes erst in hundert Jahren unfruchtbar für die nämliche Pflanze. Das eine Feld trägt Weizen, keine Erbsen, es trägt Rüben, aber keinen Tabak, ein drittes giebt reichliche Ernten von Rüben, aber keinen Klee. Was ist der Grund, dass der Acker nach und nach für eine und dieselbe Pflanze seine Fruchtbarkeit verliert? Was ist der Grund, dass die eine Pflanzengattung darauf gedeiht, dass die andere darauf fehlschlägt? Diese Fragen stellt die Wissenschaft.

Welche Mittel sind nothwendig, um dem Acker seine Fruchtbarkeit für eine und dieselbe Pflanze zu erhalten? Um ihn für zwei, für drei, für alle Culturpflanzen fruchtbar zu machen? Diese letzteren Fragen stellt sich die Kunst; sie sind aber nicht lösbar durch die Kunst.

Wenn der Landwirth, ohne durch ein richtiges, wissenschaftliches Princip geleitet zu sein, sich Versuchen hingiebt, um einen Acker für eine Pflanze fruchtbar zu machen, die er sonst nicht trägt, so ist die Aussicht auf Erfolg nur gering. Tausende von Landwirthen stellen ähnliche Versuche nach mannichfaltigen Richtungen an, deren Resultat zuletzt eine Anzahl von praktischen Erfahrungen umfasst, welche zusammen eine Methode der Cultur bilden, wodurch der gesuchte Zweck für eine gewisse Gegend erreicht wird. Allein die nämliche Methode schlägt häufig für den nächsten Nachbar schon fehl; sie hört auf, für eine zweite und dritte Gegend vortheilhaft zu sein. Welche Masse von Capital und Kraft geht in diesen Experimenten verloren! Wie ganz anders, wie viel sicherer ist der Weg, den die Wissenschaft befolgt; er setzt uns nicht der Gefahr des Misslingens aus und gewährt uns alle Bürgschaften des Gewinns. Ist die Ursache des Fehlschlagens, die Ursache der Unfruchtbarkeit des Bodens für eine, für zwei, für die dritte Pflanze ermittelt, so ergeben sich die Mittel zur Beseitigung von selbst. Die bestimmtesten Beobachtungen beweisen, dass die Culturmethoden je nach der geognostischen Beschaffenheit des Bodens von einander abweichen. Denken wir uns in dem Basalt, in der Grauwacke, in dem Porphyr, Sandstein, Kalk eine gewisse Anzahl chemischer Verbindungen in wechselnden Verhältnissen enthalten, welche, für die Pflanzen zu ihrem Gedeihen unentbehrlich, der fruchtbare Boden ihnen darbieten muss, so erklärt sich die Verschiedenheit der Culturmethoden auf eine höchst einfache Weise, denn es ist klar, dass der Gehalt der Ackererde an diesen so wichtigen Bestandtheilen in eben dem Grade wie die Zusammensetzung der Felsarten, durch deren Verwitterung sie entstanden ist, wechseln muss.

Die Weizenpflanze, der Klee, die Rüben bedürfen gewisser Bestandtheile aus dem Boden; sie gedeihen nicht in einer Erde, in welcher sie fehlen. Die Wissenschaft lehrt uns aus der Untersuchung ihrer Asche diese Bestandtheile kennen, und wenn uns die Analyse eines Bodens zeigt, dass sie darin fehlen, so ist die Ursache seiner Unfruchtbarkeit ermittelt.

Die Beseitigung dieser Unfruchtbarkeit ist damit aber gegeben. Die Empirie schreibt allen Erfolg der Kunst, den mechanischen Operationen des Feldbaues zu; sie legt ihnen den höchsten Werth bei, ohne darnach zu fragen, auf welchen Ursachen ihr Nutzen beruht, und doch ist diese Kenntniss von der höchsten Wichtigkeit, weil sie die Verwendung der Kraft und des Capitals auf die vortheilhafteste Weise regelt und jeder Verschwendung derselben vorbeugt. Ist es denkbar, dass der Durchgang

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_324.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)