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macht der Alaun das Brod sehr weiss, elastisch, fest und trocken, und es scheinen die Bäcker in London durch die Nachfrage nach weissem Brode, weisser als es das gewöhnliche, so vortreffliche englische und amerikanische Weizenmehl liefert, gezwungen worden zu sein, allem Mehle beim Brodbacken Alaun zuzusetzen. Ich sah in einer Alaunfabrik in Schottland kleine Berge von feingemahlenem Alaunmehl, welches für den Verbrauch der Londoner Bäcker bestimmt war.

Da die Phosphorsäure mit der Thonerde eine durch Alkalien und Säuren kaum zersetzbare chemische Verbindung bildet, so erklärt sich vielleicht hieraus die Schwerverdaulichkeit des Londoner Bäckerbrodes, welche Ausländern auffällt. Eine kleine Menge Kalkwasser, dem mulsterigen Mehle zugesetzt, hat dieselbe Wirkung wie Alaun und Kupfervitriol, ohne ihre Nachtheile mit sich zu führen.

Die sorgfältige Mischung mit dem Speichel beim Kauen des Brodes ist eine Bedingung für die rasche Verdauung des Stärkmehls; daher denn die Erhöhung der Verdaulichkeit des Mehls durch die Form, welche es in dem porösen Brode empfängt.

Die Auflockerung des Brodteiges wird durch einen Gährungsprocess bewirkt. Man setzt dem Teige Bierhefe zu, welche den durch Einwirkung des Klebers auf das Stärkmehl entstehenden Zucker in Gährung versetzt, und es wird durch die in allen Theilen des Teiges sich bildende Kohlensäure die blasige Beschaffenheit desselben hervorgebracht.

Zum Roggenbrod bedient man sich des Sauerteiges; man setzt nämlich dem frischen Mehlteige eine Portion in Gährung befindlichen Teig von einem früheren Gebäck zu, und es wird durch die Wirkung desselben aus dem Zucker stets eine gewisse Menge Essigsäure und Milchsäure gebildet, wodurch das Brod eine schwach saure Reaction erhält.

Manche Chemiker sind der Meinung, dass das Mehl durch die Gährung des Teiges einen Verlust an nahrhaften Bestandtheilen erleide, in Folge einer Zersetzung des Klebers, und es ist der Vorschlag gemacht worden, den Teig ohne Gährung mittels Substanzen porös zu machen, welche bei ihrer Zusammenmischung kohlensaures Gas entwickeln. Bei näherer Betrachtung des Vorgangs erscheint aber diese Ansicht sehr wenig begründet.

Beim Einteigen des Mehles mit Wasser geht beim Stehen in gelinder Wärme in dem Kleber des Teiges eine ähnliche Veränderung vor sich, wie nach dem Einquellen der Gerste, beim beginnenden Keimen der Körner, in der Malzbereitung, und es wird in Folge derselben das Stärkmehl (in der Malzbereitung grossentheils, in dem Brodteige nur wenige Procente) in Zucker übergeführt. Ein kleiner Theil des Klebers geht hierbei in den löslichen Zustand über, in welchem er die Eigenschaft des Albumins gewinnt, wodurch er an seiner Verdaulichkeit und seinem Ernährungswerthe nicht das Geringste verliert.

Man kann Mehl mit Wasser nicht zusammenbringen, ohne dass sich Zucker aus dem Stärkmehl bildet, und es ist dieser Zucker und nicht der Kleber, von dem ein Theil in Gährung kommt und in Kohlensäure und Alkohol zerlegt wird.

Man weiss, dass das Malz in seinem Ernährungswerth der Gerste, aus der es dargestellt ist, nicht nachsteht, obwohl der darin enthaltene

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 300. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_300.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)