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Salz ein mächtiges, in den gegebenen Verhältnissen unentbehrliches Mittel des Widerstandes gegen äussere Störungen ihrer Gesundheit; der Körper der anderen war in Hinsicht auf Krankheiten einem Heerde gleich, angefüllt mit dem leichtentzündlichsten Brennmaterial, dem nur ein Funke fehlte, um in Flamme auszubrechen und verzehrt zu werden.

Das Salz wirkt nicht fleischerzeugend, sondern es hebt die Schädlichkeit der Bedingungen auf, welche sich in dem unnatürlichen Zustande der Mästung vereinigen müssen, um Fleisch zu erzeugen, und es kann der Nutzen seiner Anwendung nicht hoch genug angeschlagen werden.

Manche Landwirthe haben übrigens aus den erwähnten Versuchen ganz andere Schlüsse gezogen. Da der Salzzusatz ihnen, den Landwirthen keinen Nutzen gewährt, indem sie mit der Ausgabe für Salz an Fleisch nichts gewinnen, so schlossen sie daraus, dass derselbe überhaupt unnütz sei, ja diese Versuche sind als Beweismittel und Gründe gegen die Herabsetzung der hässlichsten, den Verstand des Menschen entehrenden und unnatürlichsten aller Steuern auf dem Continente, der Salzsteuer, missbraucht worden; man sieht, dass in dem Instinct eines Schafes oder Ochsen mehr Weisheit sich kund giebt, als in den Anordnungen des Geschöpfes, welches seltsamer Weise häufig genug sich als das Ebenbild des Inbegriffs aller Güte und Vernunft betrachtet.

Neben den chemischen besitzt das Kochsalz noch eine physikalische Eigenschaft, die es von besonderer Bedeutung für die vitalen Vorgänge macht, weil die anderen Salze, mit welchen es diese Eigenschaft theilt, weder von Menschen noch von Thieren in der gewöhnlichen Lebensordnung genossen werden.

Mit Hülfe eines sehr einfachen Apparates kann man leicht diese höchst interessante Eigenschaft sichtbar machen.

Wenn man z. B. die eine Oeffnung einer 4 bis 6 Zoll langen und etwa ¼ Zoll weiten Glasröhre durch Ueberbinden mit einer in Wasser aufgeweichten Membran (von einem Darm, einer Harnblase etc.) verschliesst und bis zur halben Höhe mit Brunnenwasser füllt und in ein Glas mit demselben Wasser so stellt, dass das Wasser inwendig in der Röhre und auswendig im Glas sich in gleicher Ebene befindet, so bemerkt man in dem Stand beider Flüssigkeiten nach Stunden und Tagen nicht die geringste Aenderung.

Setzt man nun dem Wasser in der Röhre mit der Blase einige Körner Salz zu, so sieht man nach wenigen Minuten das Wasser darin sich über den Stand des Wassers in dem Glase erheben, es steigt in die Höhe.

Setzt man dem Wasser im Glase gleichfalls und so viel Kochsalz zu, dass sein Salzgehalt vollkommen dem Salzgehalt in der Röhre gleich ist, so findet keine Aenderung im Niveau des Wassers in der Röhre und ausserhalb statt. Wenn man aber dem Wasser im Glase mehr Kochsalz zusetzt als wie dem Wasser in der Röhre, so tritt jetzt der entgegengesetzte Fall ein; das Wasser in der Röhre fällt und das im Glase steigt.

Es ist hieraus ersichtlich, dass das Brunnenwasser zum salzhaltigen Wasser, das salzarme zu dem salzreicheren überströmt, wie wenn es

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_279.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)