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der vegetabilischen Nahrung, welche die Kuh, das Pferd etc. geniessen, mit den Aschenbestandtheilen ihres Blutes vergleichen, so beobachten wir einen auffallenden Unterschied; der Kochsalzgehalt der Blutasche ist weit (oft zehnmal) grösser als der der Futterasche; die Vergleichung der Aschenbestandtheile des Harns mit denen des Blutes ergiebt ferner, dass der Kochsalzgehalt der Harnasche stets kleiner ist als der der Blutasche, er entspricht dem Kochsalzgehalt der Nahrung. Diese Verhältnisse scheinen den Schluss zu begründen, dass in dem Blutgefässsystem eine Ursache wirksam ist, die sich (da der Kochsalzgehalt des Blutes nicht über eine gewisse Grenze steigt) der Vergrösserung und eben so einer Verminderung dieses Gehaltes entgegensetzt, dass das Kochsalz also nicht blos ein zufälliger, sondern ein constanter Bestandtheil der Blutflüssigkeit und dessen Menge bis zu einer gewissen Grenze unveränderlich ist.

Unter den Nahrungsmitteln aus dem Pflanzenreich enthalten die Samen die kleinste Menge Kochsalz, die Gemüsepflanzen und das Wiesengras (vorzüglich Lolium perenne) unter den Pflanzen des Continents am meisten.

Es ist nicht leicht, die ganze Bedeutung des Kochsalzes für den Lebensprocess mit eben der Bestimmtheit festzusetzen, wie wir dies für die Phosphorsäure und den Kalk können, deren absolute Nothwendigkeit für den Bildungsprocess eine feststehende Thatsache ist, indem sie Bestandtheile aller Gebilde sind. Das Kochsalz dient im Organismus zur Vermittelung der allgemeinsten Vorgänge, ohne durch seine Bestandtheile Antheil an dem Bildungsprocess zu nehmen, kein Theil der organischen Gebilde enthält Chlor in chemischer Verbindung; es giebt aber keine Flüssigkeit des thierischen Körpers, in welcher Chlor als Bestandtheil fehlt. Wir finden in Thieren, welche wie die des Continents in ihrer Nahrung nur Kalisalze und ausser Kochsalz keine Natrium- und keine Chlor-Verbindung geniessen, die Elemente des Kochsalzes, aber getrennt an verschiedenen Orten, wieder. In dem ganzen Muskelsystem, in der Fleischflüssigkeit ist eine reichliche Menge Chlor an Kalium, nicht an Natrium gebunden; dieses Chlor stammt von Kochsalz. In dem Secret der Leber, der Galle der Landthiere finden wir eine überwiegende Menge Natriumoxyd, dessen Natrium in der Nahrung als Kochsalz genossen wurde. In dem Blute des Pferdes, der Kuh und im Allgemeinen der kräuterfressenden Thiere überwiegt die Menge des kohlensauren Natrons die des Kali’s um das doppelte bis dreifache, obwohl die Asche ihrer Nahrung kaum eine Spur von kohlensaurem Natron enthält. Diese Verhältnisse sind durch ihre Beständigkeit ganz zuverlässige Merkzeichen, dass das Natrium oder Natron vermöge seiner Eigenthümlichkeiten für die Vorgänge im Blute und Blutgefässsystem, und das Kalium oder die Kalisalze aus gleichem Grunde für die in dem Muskelsystem sich vorzugsweise eignen, und dass diese beiden Alkalien, so ähnlich sie sich auch in anderen Eigenschaften sind, in Beziehung auf alle Zwecke, zu welchen sie dienen, sich gegenseitig nicht ersetzen können. In dem Blute der Menschen und der körnerfressenden Thiere ist das darin enthaltene phosphorsaure Kali stets begleitet von Kochsalz; wir wissen aber, dass diese beiden Salze neben einander nicht bestehen können, ohne sich gegenseitig umzusetzen in

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_276.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)