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Die Aschenbestandtheile des Harns und der Fäces sind im normalen Zustande dem Gewichte nach gleich dem Gewichte der unverbrennlichen Bestandtheile der Nahrung; nur wenn das Individuum an geformten organischen Theilen, d. h. an Körpergewicht zunimmt, bleiben in diesen als Theile, welche zu ihrer Zusammensetzung gehören, gewisse Mengen von phosphorsauren Salzen zurück.

Die Bekanntschaft mit den unverbrennlichen Bestandtheilen der Speise des gesunden Menschen oder des Futters der Thiere setzt uns in den Stand, aus der Kenntniss der Nahrung mit mathematischer Sicherheit die des Harns und der Fäces zu erschliessen und vorherzusagen, welche Reaction der Harn besitzen muss und in welchen Verhältnissen diese Bestandtheile in dem Harn und den Fäces enthalten sind.

Die unverbrennlichen Bestandtheile des Brodes, Fleisches, der Samen, Wurzeln, Knollen, Kräuter und Früchte sind in allen diesen Nahrungsmitteln von einerlei Natur und Beschaffenheit, aber in sehr ungleichen Verhältnissen vorhanden; sie lassen sich leicht an ihren Eigenschaften von einander unterscheiden.

Die Alkalien (Kali, Natron) sind für sich und die Verbindung mit Phosphorsäure, Schwefelsäure und Kohlensäure leicht im Wasser löslich.

Die alkalischen Erden (Kalk und Bittererde) sind in ihrer neutralen Verbindung mit Phosphorsäure und Kohlensäure im Wasser nicht löslich.

Die kohlensauren und alkalischen Erden lösen sich hingegen in Wasser, welches freie Kohlensäure, die phosphorsauren Erden in Wasser, welches freie Phosphorsäure, eine Mineral- oder eine organische Säure enthält.

Die eben genannten Materien sind die nie fehlenden Bestandtheile der Asche der Speisen des Menschen, oder des Futters der Thiere. Phosphorsäure, die Alkalien und alkalischen Erden (nebst Eisenoxyd und, wie im Futter der Thiere, Kieselerde) sind als solche vor der Verbrennung vorhanden, Schwefelsäure und Kohlensäure sind Producte der Verbrennung des Schwefels und Kohlenstoffs. Wenn wir uns diese Asche mit Wasser in Berührung gebracht denken, so findet eine Theilung der Aschenbestandtheile statt, die löslichen werden vom Wasser aufgenommen, die darin nicht löslichen bleiben im Rückstande.

Enthält die Asche Phosphorsäure und Schwefelsäure (und Kieselsäure) in einem solchen Verhältniss, dass sie zusammen ausreichen, um die vorhandenen Alkalien und alkalischen Erden zu neutralisiren, so erhalten wir:

in Lösung im Rückstande (ungelöst)
Phosphorsäure
(Schwefelsäure)
Kali
Natron
Phosphorsäure
(Kieselsäure)
Kalk
Bittererde
Eisenoxyd.

Reichen die vorhandenen alkalischen Erden hin, um alle Phosphorsäure in der Asche zu binden, fehlt es also an Phosphorsäure, um mit den Alkalien eine Verbindung einzugehen, so bleibt alle Phosphorsäure im Rückstande und man erhält alsdann:

in dem Wasser gelöst im Rückstande
Kohlensäure
(Schwefelsäure)
Kali
Natron
Phosphorsäure
(Kohlensäure)
(Kieselerde)
Kalk
Bittererde
Eisenoxyd.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_268.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)