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Augenblick auslöscht, wenn das Wasser anfängt zu sieden; so erfährt man durch das Zurückwiegen der Spirituslampe leicht, wie viel Weingeist verbraucht d. h. verbrannt worden ist, um das Wasser auf seinen Siedepunkt zu bringen; und wenn man das Gewicht des Wassers kennt, so lässt sich durch eine sehr einfache Rechnung bestimmen, wie viel Wärmegrade ein Gewichtstheil Weingeist, ein Loth oder eine Unze bei seiner Verbindung mit dem Sauerstoffe entwickelt. In einem hierzu geeigneteren Apparate, dessen Einrichtung es gestattet, alle durch die Verbrennung erzeugte Wärme ohne Verlust in dem Wasser aufzufangen, hat man in dieser Weise gefunden, dass durch die Verbrennung einer Unze reinen Weingeistes 69 Unzen Wasser von dem Gefrierpunkte an bis auf seinen Siedepunkt erwärmt werden können. Jede Unze dieser 69 Unzen Wasser hat demnach 100 Wärmegrade empfangen, alle zusammen haben 69 mal 100 oder 6900 Wärmegrade aufgenommen. Diese Zahl 6900 drückt die Wärmemenge aus, welche durch die Verbrennung von 1 Gewichtstheil Weingeist erzeugt oder frei wurde – und zwar in Wärmegraden, welche ein bekanntes Gewicht Wasser empfängt.

In ganz ähnlicher Weise hat man die Verbrennungswärme des Kohlenstoffs und Wasserstoffs, der Steinkohlen, des Holzes, Torfs etc. ermittelt; die Verbrennungswärme der Steinkohlen ist 5625; mit einem Pfunde Steinkohlen lassen sich 56¼ Pfd. Wasser vom Gefrierpunkte bis zum Sieden, oder 562½ Pfd. bis auf 10 Grade oder 5625 Pfd. Wasser auf einen Grad erwärmen. Die Wärmeeinheit ist, wie man leicht wahrnimmt, kein gewöhnlicher Thermometergrad, sondern es ist das Wärmequantum, was ein dem verbrannten gleicher Gewichtstheil Wasser empfängt, um seine Temperatur um einen Thermometergrad des hunderttheiligen Thermometers zu erhöhen.

Die Verbrennungswärme des reinen Kohlenstoffs ist beträchtlicher als die der Steinkohlen; nach den Bestimmungen von Andrews beträgt sie 7881, die des Wasserstoffs 33808 Wärmeeinheiten; durch die Verbrennung des Wasserstoffs wird Wasser, durch die des Kohlenstoffs Kohlensäure gebildet, und da das Wasser das achtfache Gewicht des Wasserstoffs an Sauerstoff, die Kohlensäure 2⅔ mal so viel Sauerstoff als Kohlenstoff enthalten, so kommen auf 1 Gewichtstheil Sauerstoff, der in Kohlensäure übergeht, 2950, und bei seinem Uebergange in Wasser 4226 Wärmeeinheiten.

Wenn man demnach den Sauerstoffverbrauch eines Thieres in 24 Stunden kennt, so wie die Menge der erzeugten Kohlensäure und die Menge des gebildeten Wassers (aus dem verschwundenen Sauerstoff), so ist es leicht, die ganze Wärmemenge zu berechnen, welche ein Thier durch seinen Athmungsprocess entwickelt. Es ist ferner verständlich, dass, wenn man ein Thier in einem passenden Apparate athmen lässt, welcher mit kaltem Wasser ganz umgeben ist, in diesem Fall durch die Temperaturzunahme des Wassers sich die Anzahl der Wärmegrade leicht bestimmen lasse, die das Thier während einer gewissen Zeit an die Umgebung abgiebt. Auf diesem Wege hat man die Gewissheit erlangt, dass die Anzahl der Wärmegrade, welche ein Thier durch den in seinem Leibe vor sich gehenden Process erzeugt, derjenigen sehr nahe entspricht, welche der nämliche Apparat empfangen würde, wenn man eine der

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_236.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)