Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 204.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


von kölnischem Wasser zu unterscheiden; dass es aber möglich ist, an dem Geruch, der ein Zimmer erfüllt, zu erkennen, ob es von einer Selbstverbrennung herrührt oder nicht, oder dass der Ueberzug auf Möbeln und Glas von einem von selbst verbrannten menschlichen Körper stammt, und nicht von Leder, (Ueberzügen von Etuis etc.), Papier, Holz, Haaren, Kleidern, welche alle mit verbrannt sind, und zwar ohne dass der Riechende jemals in einem gleichen Fall sein Geruchsorgan oder Gesicht mit der Eigenthümlichkeit dieser Gerüche oder Absätze bekannt gemacht und eine Erinnerung davon hat, dies geht über Alles, was man einem Verständigen zu glauben nur zumuthen kann. Es ist geradezu eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes.

Die Folgerungen, zu denen die Annahme der Selbstverbrennung geführt hat, stehen mit der Erfahrung in einem so entschiedenen Widerspruch, dass die Erklärung derselben von Seiten der Anhänger der Selbstverbrennungstheorie bei keinem ausgezeichneten, mit den Naturwissenschaften einigermassen vertrauten Arzte oder Naturforscher den mindesten Anklang gefunden hat. So lange die Heilkunde besteht, ist wohl noch kein Fall vorgekommen, wo ein Ehepaar neben einander in derselben Secunde an einer Lungenentzündung oder an einer anderen Krankheit erkrankt, wo in Beiden, Mann und Frau, die Krankheit in derselben Zeit verläuft und Beide in der nämlichen Secunde sterben. Wie viel unwahrscheinliche Voraussetzungen müssen in Beziehung auf das Befinden vor dem Erkranken gemacht werden, damit ein solches Ereigniss statt habe. Die Anhänger der Selbstverbrennung finden alles dies für die Krankheit oder den Zustand, welcher der Verbrennung vorhergeht, ganz in der Ordnung, denn sie erzählen einen Fall, wo ein Schneider, Lariviere, mit seiner Frau im Zustande der Berauschung, nachdem man sie Abends 7 Uhr verlassen hatte, den nächsten Morgen um 11 Uhr mit Ausnahme einiger Fragmente in eine formlose verkohlte Masse verwandelt gefunden wurden. Ein Mann, der ein solches Ereigniss einer Krankheitsursache zuschreiben kann, ist ganz geeignet, um ein Kameel zu verschlucken. Dass mehrere Menschen, die sich zugleich in einem Zimmer befinden, durch Kohlendunst zu gleicher Zeit ersticken, dies ist ein Fall, der leider nur zu häufig vorkommt.

Die Anhänger der Selbstverbrennung betrachten es als eine Eigenthümlichkeit derselben, dass man, wenn sie statt hat, niemals Hülferuf vernimmt, offenbar, weil sie todt sind, ehe sie verbrennen. Dies ist genau so, wie wenn man als eine Eigenthümlichkeit des Diebstahls durch Einbruch den Umstand bezeichnen wollte, dass die Hausbewohner, welche bestohlen werden, das Geräusch nicht hören, welches die Diebe machen, um in das Haus zu kommen. Ein solcher Diebstahl gelingt nur dann, wenn die Bewohner des Hauses das Geräusch nicht hören, z. B. abwesend sind, so wie ein Mensch natürlich nur dann zu Kohle und Asche verbrennen kann, wenn Niemand seinen Hülferuf hört; wären Leute in der Nähe und der Brennende im Stande zu schreien, so würde er nicht verbrennen.

Daraus, dass man keinen Hülferuf vernimmt, hat man geschlossen, dass der Tod nicht blos schnell, sondern auch schmerzlos sei, und man kann sich nur darüber wundern, dass man einen solchen angenehmen

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_204.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)