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der nicht gesündigt hatte, verbrannte natürlich nicht, er war auf seiner Oberfläche nur etwas versengt.

Die Idee der Schnelligkeit der Verbrennung in den anderen vierzig oder fünfzig Fällen und die auch in diesen angenommene Eigenthümlichkeit des Feuers, mit dem sie brennen, bezieht sich auf diesen Fall allein, denn in den anderen fand man die Personen todt und verbrannt, die man fünf, sechs oder zwölf Stunden vorher lebend verlassen hatte. Weiter weiss man nichts davon.

Der schlagendste Beweis der Unbekanntschaft mit den gewöhnlichen Verbrennungsgesetzen und der Unfähigkeit, die vorkommenden Fälle der sogenannten Selbstverbrennung zu beurtheilen, ergiebt sich vorzüglich daraus, dass die Vertheidiger derselben auf unbedeutende Umstände, welche gar nicht in Betracht kommen, das grösste Gewicht legen, während die wichtigsten als gar nicht existirend von ihnen angesehen werden. Dies ist namentlich der Fall mit dem Dampf, Rauch und Geruch, der die Räume erfüllt, in denen man Verbrannte findet, und dem schmierigen, braunen fettigen Absatz, mit welchem man Möbel, Fensterscheiben, Spiegel überzogen findet. Dies wird von ihnen als eine besondere Eigenthümlichkeit und als ein Merkzeichen der Selbstverbrennung angesehen. Dieser Absatz oder Ueberzug besteht, wie Jedermann weiss, aus festen brennbaren Theilen und aus flüssigen Producten, welche durch die Wirkung des Feuers auf animalische und vegetabilische Materien (z. B. auf Fleisch, Blut und Papier etc.) gebildet werden, natürlich nur in dem Fall, wenn diese nicht brennen; denn diese flüssigen und festen Producte sind an sich leicht brennbar, und ihr Nichtbrennen rührt stets von einem Mangel an Sauerstoff und dem zu ihrer Entzündung nöthigen, aber fehlenden Wärmegrade her. Die festen Theile im Rauch heissen im Allgemeinen Russ, die flüssigen Producte führen den Namen Theer. Der Absatz auf den Scheiben und Möbeln ist ein dünner Niederschlag von Theer und Russ, er fühlt sich, wie diese, fettig an und hat ganz die Beschaffenheit von dem Ueberzug, der sich im Anfang in den Kammern bildet, in denen man Fleisch räuchert, und der das Fleisch selbst überzieht. Mit ein wenig Glanzruss, den man in Wasser auflöst, kann man Glas und Holz ganz denselben Ueberzug geben, nur sieht man da die Pinselstriche, die man nicht bemerkt, wenn sich diese Producte durch Abkühlung aus der Luft auf Gegenstände gleichförmig absetzen. Unter den Producten, welche animalische Substanzen liefern, befindet sich noch eine Schwefelverbindung (Schwefelammonium), welche Bleianstriche und Metallfarben braun färbt oder schwärzt.

Diese Producte bilden sich, wie gesagt, wenn Feuer auf verbrennliche Körper einwirkt, welche nicht brennen (wie in der Theerschwelerei oder trockenen Destillation) und sind ein unwidersprechlicher Beweis, dass die Theile, welche sie liefern, nicht gebrannt haben, denn hätten sie gebrannt, und wäre hinreichend Luft vorhanden gewesen, so würden sie verbrannt sein und es wäre nichts davon wahrnehmbar gewesen, es hätte sich kein Absatz auf Gläsern oder Möbeln gebildet.

Es liegt in der Natur der Sache, dass Jemand, welcher in seinem Leben zuweilen Rosenwasser gerochen hat, und der eine Erinnerung daran hat, wie es riecht, in vielen Fällen im Stande sein wird, Rosenwasser

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_203.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)