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von denen man weiss, dass sie keine verändernde Wirkung, d. h. keinen Wechsel in den chemischen Eigenschaften der Körper, mit denen man sie zusammenbringt, verursachen.

Die Galle der Thiere ist goldgelb, grünlich oder gelbbraun gefärbt; frisch aus der Blase genommen, enthält sie einen gallertartigen, aufgequollenen, im Wasser unlöslichen geschmacklosen Stoff beigemengt, der sich vollkommen davon trennen lässt, wenn die Galle mit Alkohol gemischt wird. Diese Mischung besitzt die Farbe der Galle; filtrirt man sie durch Kohlenpulver, so behält dieses den Farbstoff zurück, während alle übrigen Bestandtheile in der abfliessenden farblosen Lösung bleiben.

Es findet demnach in der Galle in Beziehung auf Gefärbtsein ein ähnliches Verhältniss, wie im Blute statt, mit dem Unterschiede jedoch, dass der Farbstoff in der Galle gelöst, wiewohl nicht in einer chemischen Verbindung mit einem der anderen organischen Bestandtheile derselben sich befindet. Wäre letzteres der Fall, so würde die Kohle noch einen anderen organischen Stoff enthalten müssen; ausser dem Farbstoff enthält sie aber keinen anderen. Schüttelt man die Galle mit Aether, oder mischt man zu einer Auflösung von farbloser (entfärbter) Galle in Weingeist eine hinlängliche Menge von Aether, so trennt sich die Mischung in zwei Schichten, in eine dicke syrupähnliche Flüssigkeit, welche zu Boden fällt, und in eine leichtere, welche obenauf schwimmt. Die letztere enthält den zugesetzten Aether, der jetzt beim Verdampfen eine Menge Fett hinterlässt. Dieses Fett war ein Bestandtheil der Galle, der aber darin nicht aufgeschlämmt in Tröpfchen, wie in der Lymphe, sondern in Lösung sich befand.

Die Galle der Vögel, Säugethiere, Fische, Amphibien, soweit sie untersucht sind, verhält sich gegen Weingeist, Kohle, Aether auf ganz gleiche Weise, sie ist keine einfache Verbindung, sondern ein Gemenge von einfachen Verbindungen. Wäre es eine einfache Verbindung, so würde sich keine einzige ihrer Eigenschaften hinwegnehmen lassen ohne Vernichtung aller oder der Mehrzahl ihrer anderen Eigenschaften; aber von der Galle lässt sich die Dickflüssigkeit entfernen, ohne dass die übrigen Eigenschaften derselben die mindeste Veränderung erfahren, eben so die Farbe, ihre der Seife verwandte Beschaffenheit, aber von dem Stoff, der übrig bleibt, kann keine der ihm zukommenden Eigenschaften mehr hinweggenommen werden, es ist die Natronverbindung der mit Glycocoll oder Taurin gepaarten stickstoffhaltigen Cholalsäure, ausgezeichnet durch ihren sehr bitteren Geschmack und die Eigenschaft, mit etwas Zucker und concentrirter Schwefelsäure versetzt, eine purpurrothe Farbe anzunehmen [1]

Die Wahrnehmung, dass beinahe alle Theile des thierischen Körpers, die Nerven- und Gehirnsubstanz, die Fäces das nämliche Fett wie die Galle enthalten, dass die von coagulirtem Blut abgeschiedene Flüssigkeit eine der Galle sehr ähnliche Farbe besitzt, dass der an der Oberfläche des Darmkanals sich häufig abscheidende Schleim von dem Schleim der Gallenblase nicht unterscheidbar ist, giebt zu erkennen, dass Fett, Farbstoff

  1. Bemerkenswerth ist, dass die Galle des Schweins eine eigenthümliche, von allen anderen bis jetzt untersuchten Gallen verschiedene organische Säure enthält.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_173.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)