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mit der erzeugten Wärme eben so viel Hammerschläge hervorbringen können, als verbraucht worden waren um die Wärme zu erzeugen.

Die nähere Betrachtung des Vorgangs ergiebt nun, dass der Hammer zu seinen Schlägen gehoben werden musste und dass seine Arbeitskraft ihm nicht eigen, sondern nur geliehen war.

Der Hammer war gehoben worden durch das Wasserrad, und das Wasserrad wurde in Bewegung gesetzt durch ein Wassergewicht, welches auf dessen Schaufeln fiel; um einen zehn Pfund schweren Hammer einen Fuss hoch zu heben, mussten nothwendiger Weise mindestens 10 Pfd. Wasser auf das Wasserrad einen Fuss hoch herabfallen; es war also eigentlich dieses fallende Wassergewicht, welches, vermittelt durch den Hammer, die Wärme hervorgebracht hatte. Durch eine andere Anordnung der Maschinentheile hätte die nämliche Kraft einen Mühlstein mit grosser Geschwindigkeit um seine Achse gedreht oder zwei eiserne Scheiben durch ihre Reibung zum Glühen gebracht.

In genauen zu diesem Zwecke angestellten Versuchen hat sich nun herausgestellt, das 13,500 Hammerschläge eines zehnpfündigen Hammers, welche auf die Stange einen Fuss hoch fallen, eine Wärmemenge erzeugen, welche hinreicht, um 1 Pfd. Wasser von 0° zum Sieden, d. h. auf 100° C. zu erwärmen, oder was das Nämliche ist, dass 1350 Ctr. Wasser, welche 1 Fuss hoch fallen, 1 Pfd. Wasser zum Sieden bringen, oder 1350 Pfund Wasser, welche 1 Fuss hoch fallen, 1 Pfd. Wasser von 0° dem Gefrierpunkt auf 1° erwärmen, und dass dieselbe Wärmemenge einer Arbeitskraft entspricht, wodurch 13½ Ctr. einen Fuss hoch gehoben werden können.

Ueberall wo in irgend einer Maschine durch Reibung oder Stoss an Bewegung verloren geht, entsteht eine entsprechende Wärmemenge, und wenn durch Wärme Arbeit verrichtet wird, so verschwindet mit den gewonnenen mechanischen Wirkungen, ausgedrückt durch ein Gewicht von 13½ Ctr., welche um einen Fuss gefallen oder auf diese Höhe gehoben worden sind, eine Wärmemenge, welche 1 Pfd. Wasser verliert, wenn es um einen Temperaturgrad erkaltet. Dieses Wärmequantum ist deshalb gleichwerthig oder ein Aequivalent jener Arbeitskraft.

Auf die mannichfaltigste Weise hat man dieses Gesetz oder diese constante Beziehung zwischen Wärme und mechanischer Bewegung bestätigt. Eine Metallstange kann durch angehängte Gewichte gestreckt, d. h. verlängert werden, und wenn eine gewisse Grenze nicht überschritten wird, so nimmt das Metall beim Abnehmen der Gewichte seine ursprüngliche Länge wieder an. Gegen die Wärme verhält sich die Metallstange wie gegen die angehängten Gewichte; sie verlängert sich beim Erwärmen und zieht sich beim Erkalten wieder zusammen; es ist klar, dass der Druck, den die Stange ausübt, wenn sie sich verlängert, gleich ist dem Zug oder der Zugkraft, wenn sie beim Erkalten sich zusammenzieht. Es hat sich nun herausgestellt, dass die Wärmemenge und die angehängte Last, welche eine gleiche Verlängerung hervorbringen, in dem nämlichen Verhältniss zu einander stehen, wie es die oben angeführten Zahlen ausdrücken; d. h. dass durch eine Wärmemenge, welche hinreicht um 1 Pfd. Wasser um einen Grad zu erwärmen, einer Eisenstange mitgetheilt, 1350 Pfd. Gewicht um einen Fuss gehoben werden können.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_106.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)