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Kohlen anzuwenden anstatt Zink, selbst wenn dieses in der galvanischen Säule viermal so viel Kraft entwickelte, als ein gleiches Gewicht Kohle durch seine Verbrennung unter einem Dampfkessel liefert. Mit einem Wort, wenn wir die Kohlen, die wir zur Ausschmelzung des Zinks aus seinen Erzen gebrauchen, unter einer Dampfmaschine verbrennen, so werden wir damit weit mehr Kraft hervorbringen, als durch Zink, in welcher Form oder in welchem Apparat wir es auch verwenden mögen. Wärme, Elektricität und Magnetismus sind in einer ähnlichen Beziehung einander äquivalent wie Kohle, Zink und Sauerstoff. Durch ein gewisses Mass von Elektricität bringen wir ein entsprechendes Verhältniss von Wärme oder von magnetischer Kraft hervor, die sich gegenseitig äquivalent sind. Diese Elektricität kaufe ich mit chemischer Affinität, die, in der einen Form verbraucht, Wärme, in der anderen Elektricität oder Magnetismus zum Vorschein bringt. Mit einer gewissen Summe von Affinität bringen wir ein Aequivalent Elektricität hervor, gerade so wie wir umgekehrt durch ein gewisses Mass von Elektricität Aequivalente von chemischen Verbindungen zur Zerlegung bringen. Die Ausgabe für magnetische Kraft ist also hier die Ausgabe für die chemische Affinität. Zink und Schwefelsäure liefern uns die chemische Affinität in der einen, Kohlen und ein gehöriger Luftzug in der anderen Form (siehe den nächsten Brief). Man darf sich nicht dadurch täuschen lassen, dass man mit einem sehr kleinen Aufwand von Zink einen Eisendraht zu einem Magneten machen kann, der 1000 Pfund Eisen trägt; denn mit diesem Magnet sind wir nicht im Stande, ein einziges Pfund Eisen 2 Zoll hoch in die Höhe zu heben, dies will sagen, ihm eine Bewegung zu ertheilen. Der Magnet wirkt wie ein Felsen, der, ruhend, mit einem Gewichte von 1000 Pfund auf eine Unterlage drückt; es ist ein eingeschlossener See, der keinen Fall besitzt. Man hat ihm aber Abfluss und Fall zu geben gewusst – so kann man mir einwerfen – und ich halte dies für einen Triumph der Mechanik; man wird dahin gelangen, ihm auch noch mehr Fall und eine grössere Kraft zu geben, als man bis jetzt im Stande war; immer aber bleibt es gewiss, dass bis auf den Dampfkessel an keiner unserer Maschinen sich das geringste ändern wird, und dass 1 Pfund Kohle in diesem Augenblick noch unter einem Dampfkessel eine mehrere hundertmal schwerere Masse in Bewegung zu setzen vermag, als 1 Pfund Zink in der galvanischen Säule. [1] Unsere Erfahrungen in diesen neueren Bewegungsmitteln sind noch zu jungfräulich, als dass sich voraussehen liesse, was sich daraus entwickeln wird. Möchten sich die Männer, die sich die Lösung dieses Problems zur Aufgabe gesetzt haben, nicht entmuthigen lassen; auch wenn wir nur die Gefahr der Dampfmaschinen damit beseitigen lernen, so ist dies selbst bei dem doppelten Kostenaufwand schon ein grosser Gewinn.

  1. Nach einer Angabe in der Beilage der Allg. Zeitung Nr. 214 hat Jacobi 1848 bis 1849 eine Maschine erbaut, durch welche eine Schaluppe von 12 Mann in Bewegung gesetzt werden konnte, und deren Effect auf 600 Pud = 24,000 Pfund in einer Minute auf 1 Fuss Höhe gehoben geschätzt wurde. Dieser Effect kann mit dem auch der kleinsten Dampfmaschine noch nicht verglichen werden, denn er beträgt erst ⅘ von einer Pferdekraft (1 Pferdekraft = 500 Pfund in 1 Secunde 1 Fuss in die Höhe gehoben).
Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_098.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)