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ihren Culminationspunkt erreicht, sie kann kaum weiter verbessert werden.

Das Löthen der Bleiplatten mit Blei (Zinn und gemischte Lothe[1] würden zerfressen werden) kostete früher beinahe so viel wie die Platten selbst; jetzt, wo man sich der Flammen des mit Luft gemischten Wasserstoffgases, einer Art Löthrohr dazu bedient, mit welchem man eine sehr hohe Temperatur hervorbringt, können zwei Platten mit einander durch ein Kind verbunden werden.

Aus 100 Pfund Schwefel kann man der Rechnung nach nur 306 Pfund Schwefelsäure darstellen: man gewinnt 300 Pfund; man sieht, der Verlust ist nicht der Rede werth. –

Nebst dem Schwefel hatte früher auf den Preis der Schwefelsäure einen Haupteinfluss der zu dieser Fabrikation unentbehrliche Salpeter. Man brauchte freilich auf zehn Centner Schwefel nur einen Centner Salpeter, allein der letztere kostete viermal so viel als ein gleiches Gewicht Schwefel. Auch dies hat sich geändert.

Reisende hatten in Peru in dem District von Atacama in der Nähe des kleinen Hafenplatzes Yquique mächtige Salzauswitterungen entdeckt, als deren Hauptbestandtheil die chemische Analyse salpetersaures Natron nachgewiesen hatte; der Handel, der mit seinen Polypenarmen die Erde umstrickt und überall neue Quellen des Gewerbs für die Industrie eröffnet, bemächtigte sich dieser Entdeckung; die Vorräthe dieses kostbaren Salzes erwiesen sich als unerschöpflich, man fand Lager von mehr als vierzig Quadratmeilen Ausdehnung, es wurden Massen davon zu Preisen nach Europa gebracht, welche noch nicht die halben Frachtkosten des indischen Salpeters (Kalisalpeters) erreichten, und da in der chemischen Fabrikation weder das Kali noch das Natron, sondern nur die damit verbundene Salpetersäure in Anschlag kam, so verdrängte in unglaublich kurzer Zeit der Chilisalpeter den indischen oder Kalisalpeter so gut wie ganz aus dem Handel.

Die Schwefelsäurefabrikation gewann einen Aufschwung; ohne Nachtheil für den Fabrikanten sank ihr Preis fortdauernd; jetzt ist derselbe stationär geworden, nachdem die unterdrückte Schwefelausfuhr aus Sicilien ihn für einige Zeit im Schwanken erhalten hatte. – Die verminderte Nachfrage nach Salpeter erklärt sich jetzt leicht; nur zur Pulverfabrikation wird jetzt noch Salpeter verwendet, und wenn die Regierungen Hunderttausende an dem Preise des Pulvers ersparen, so verdanken sie dies der Schwefelsäurefabrikation.

Um sich eine Vorstellung über den Gebrauch der Schwefelsäure zu machen, reicht es hin, zu erwähnen, dass eine kleine Schwefelsäurefabrik 5000 Centner, eine mässig grosse 20,000 Centner Schwefelsäure in den Handel bringt; es giebt Fabriken, welche 60,000 Centner jährlich produciren. Durch die Schwefelsäurefabrikation fliessen ungeheure Summen nach Sicilien, sie brachte in die öden Gegenden Atacama’s Gewerbfleiss und Wohlstand, sie ist es, welche die Platingewinnung in Russland gewinnreich macht; denn die Concentrationsgefässe der Schwefelsäurefabrikanten sind von Platin, und ein jeder Kessel kostet 10–20,000 Gulden; das immer schönere und wohlfeilere Glas, unsere vortreffliche

  1. WS: korrigiert, im Original: Lohe
Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_089.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)