Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 076.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


nach diesen Voraussetzungen genau 1,380 Gran Chlor nöthig sein. Ein einfacher Regel de tri-Ansatz zeigt, dass dies wirklich der Fall ist; die Zahlen, welche die specifischen Gewichte des Jods und Chlors bezeichnen, 4,948 und 1,380, stehen zu einander in demselben Verhältniss, wie ihre Aequivalente 126 Jod und 35,4 Chlor.

Dieses merkwürdige Verhältniss, wodurch unerwarteter Weise eine physikalische Eigenschaft (das specifische Gewicht) mit in den Kreis philosophischer Betrachtungen gezogen worden ist, hat sich bei allen isomorphen Substanzen bestätigt; ihre specifischen Gewichtszahlen drücken das Gewichtsverhältniss aus, in denen sie sich in Verbindungen vertreten, ganz dasselbe Verhältniss, welches wir in den Aequivalentenzahlen kennen, und überall, wo sich bei isomorphen Körpern eine Abweichung ergab, wo also die specifischen Gewichte nicht genau mit den Aequivalentenzahlen in dem berührten Sinne übereinstimmten, zeigte sich dies in der Neigung der Flächen des Krystalls, in den Winkeln z. B., welche die Kanten mit der Axe des Krystalls bilden. Die Form des Krystalls bleibt nur dann identisch, wenn die Atome der sich vertretenden isomorphen Substanzen ein gleiches Volumen bei der gleichen Form besitzen. Ist das Volumen des eintretenden Atoms kleiner als das des austretenden, so muss sich dies in der Form des neuen Krystalls offenbaren.

Um den Raum, den die Atome einnehmen oder erfüllen, bei verschiedenen Körpern in Zahlen vergleichen zu können, hat man zu folgender Betrachtungsweise seine Zuflucht genommen.

Denken wir uns unter den Aequivalentenzahlen bestimmte Gewichte, nehmen wir an, dass die Zahl 35,4 für Chlor, 35,4 Loth Chlor; die Zahl 126 für Jod, 126 Loth Jod; 28 für Eisen, 28 Loth Eisen; 29,6 für Nickel, 29,6 Loth Nickel bedeuteten, und dividiren wir eine jede dieser Zahlen durch das Gewicht von einem Cubikzoll Chlor, Jod, Eisen, Nickel, oder, was dasselbe ist, durch ihre specifischen Gewichte (1 Cubikzoll Wasser zu 1 Loth angenommen, wiegt 1 Cubikzoll Chlor 1,380 Loth, 1 Cubikzoll Jod 4,948 Loth, 1 Cubikzoll Eisen 7,750 Loth, 1 Cubikzoll Nickel 8,477 Loth), so ist klar, dass man auf diese Weise erfährt, wie viel Cubikzoll Chlor, Jod, Nickel, Eisen in einem Aequivalent Chlor, Jod, Eisen enthalten sind; diese Quotienten drücken demnach aus, wie viel Raum ein Aequivalent Chlor, Jod, Eisen Nickel, in Cubikzollen ausgedrückt, einnimmt, oder ganz allgemein das Verhältniss ihrer Volume zu ihren Aequivalenten oder Atomgewichten.

Die Atome der isomorphen Substanzen sind nun, unserer Voraussetzung nach, von gleicher Gestalt und Grösse; in gleichen Raumtheilen ist ihre Anzahl gleich gross. Wenn nun in einem Aequivalent Chlor genau so viele Chloratome sich befinden, wie in einem Aequivalent Jod Jodatome enthalten sind, so müssen wir durch Division des specifischen Gewichtes in das Atomgewicht einerlei Zahlen erhalten; 35,4 das Atomgewicht des Chlors, dividirt durch 1,380, das specifische Gewicht desselben, giebt die Zahl 25; und 126, das Atomgewicht des Jods, dividirt durch 4,948, giebt ebenfalls die Zahl 25.

Man sieht leicht ein, dass dies, unserer Voraussetzung nach, nicht anders sein darf. Das Atomgewicht oder die Aequivalentenzahl der isomorphen Körper muss, durch das specifische Gewicht dividirt, einen

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_076.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)