Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 063.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Der durch Verbindung einer Säure mit einer Basis entstandene Körper führt, ohne alle Rücksicht auf den Geschmack, den Namen Salz.

Eine Basis kann in einem Salze eine andere Base, eine Säure eine andere vertreten, und bei der näheren Beachtung der Verhältnisse, in denen sich die Metalloxyde, die zu den Basen gehören, vertreten, hat sich ergeben, dass hierzu sehr ungleiche Gewichte von verschiedenen Basen nöthig sind. Um 10 Theile von der einen Basis auszuscheiden, braucht man 15 Theile von einer anderen, 25 Theile von einer dritten u. s. w. Wenn nun die 10 Theile der ersten Basis 5 Theile Sauerstoff enthalten, so zeigt es sich, dass auch die 15 Theile der zweiten und die 25 Theile der dritten etc. ebenfalls nicht mehr und nicht weniger als 5 Theile Sauerstoff enthalten.

Die Sauerstoffmengen der sich vertretenden metallischen Basen bleiben sich unverändert gleich, nur die Metalle, die damit verbunden sind, vertreten sich je nach ihren Aequivalenten; für 39,2 Kalium, welche austreten, gehen 100,0 Quecksilber in die Verbindung ein.

Die Chemiker sind übereingekommen, eine jede Quantität eines Metalloxydes, welches 8 Gewichtstheile (= 1 Aequivalent) Sauerstoff enthält, ein Aequivalent Metalloxyd zu nennen, ohne alle Rücksicht auf die Anzahl der Aequivalente Metall, die sich darin befinden.

Wenn man demnach die Menge Säure kennt, die man nöthig hat, um mit einem Aequivalent Basis ein neutrales Salz zu bilden, so bleibt sich diese Säuremenge für jedes Aequivalent einer anderen Basis völlig gleich, eben weil diese andern Basen gerade so viel Sauerstoff wie die erste enthalten und weil sich ihre gegenseitige Vertretung nur nach diesem Sauerstoffgehalt regelt. Man hat, wieder nach Uebereinkunft, die Quantität Säure, welche ein Aequivalent Basis sättigt, ein Aequivalent Säure genannt.

Einmal damit bekannt, wird man jetzt leicht finden, warum die Chemiker die Zusammensetzung der Essigsäure durch die Formel C4H3O3, und nicht durch C2HO oder irgend eine andere bezeichnen. Rechnen wir die Zahlen, welche diese Zeichen bedeuten (C4 = viermal 6 = 24 Kohlenstoff, H3 = 3 Wasserstoff, O3 = dreimal 8 = 24 Sauerstoff), so bekommt man als Summe 51. Diese einundfünfzig Theile Essigsäure sind die Gewichtsmenge Essigsäure, die sich mit einem (oder irgend einem) Aequivalent Metalloxyd zu einem Salze verbindet.

Die Formel einer Säure bezieht sich gewöhnlich auf 1 Aequivalent Basis, die irgend einer anderen Zusammensetzung bezieht sich stets auf das Gewichtsverhältniss, in welchem seine Elemente mit dem bekannten und ausgemittelten Aequivalent eines anderen Körpers sich verbunden haben. In Fällen, wo dies unbekannt ist, drücken die Formeln nur die gegenseitigen Beziehungen der Zusammensetzung zweier oder mehrerer Körper aus.

Die Formel eines essigsauren Salzes wird demnach geschrieben werden müssen C4H3O3,MO; (M bedeutet 1 Aequivalent irgend eines Metalls). Wenn wir uns das Metall durch 1 Aequivalent Wasserstoff vertreten denken, so drückt die Formel eine Verbindung der Essigsäure mit Wasserstoffoxyd (Wasser) aus, welche man, wie alle Wasserverbindungen ähnlicher Art, Hydrat nennt; die Formel desselben ist C4H3O3,HO, oder alle Elemente

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_063.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)