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Bracke wagte sich eines Nachts in den Garten am Hause Nadyas.

Sie standen in zärtlicher Umschlingung unter einer Linde – als plötzlich der Mond, und mit ihm, aus dem Hause, ein Haufen schreiender und gestikulierender Leute hervorbrach.

Denn die Eltern Nadyas hatten Verdacht geschöpft. Mit Stangen und Keulen wollten sie auf den geistlichen Liebhaber eindringen, dem die Zunge im Gaumen gefror.

Da trat Nadya vor und rief (wie denn die Frauen, wenn sie einmal geistesgegenwärtig sind, es mit sehr viel Geist sind):

„Fallet nieder und betet, denn seht, die heilige Hedwig ist mir erschienen.“

Da nun fielen sie alle auf die Knie: denn die Kutte des Franziskaners malte sich in der grauen Dämmerung wie ein Frauenkleid ab.

Er aber hob die Arme und segnete sie.

Und öfter noch und unbehelligter ist die heilige Hedwig dem schönen Fischerkinde Nadya erschienen.


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Klabund: Bracke, Berlin 1925., Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bracke_(Klabund)_237.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)