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Bracke saß in der Schule, im dunkeln halb, auf letzter Bank.

Aus halbem Dunkel träumte er sich ins Dunkel ganz. Eulen kreischten von steinernen Türmen, Raubritter schlichen durch den Forst. Kaufleute jammerten, ihrer Gewürze und Teppiche beraubt. Ein blasses Kind, ihm selbst nicht unähnlich, entfloh und versank im Sumpf.

Der Lehrer, krumm und kantig, schrie wie falsche Töne auf der Orgel, wenn man daneben greift:

„Bracke, dreimal eins ist –?“

„Eins“, sagte Bracke, aus dem Dunkel ins Grelle gerissen.

„Falsch,“ sagte der Lehrer, „du träumst.“

„Ist Gott nicht drei: Vater, Sohn und heiliger Geist – dreimal eines – und doch eins?“

Der Lehrer krümmte sich tiefer – wie ein Kater, der einen Buckel macht: „Was in der Religion richtig, das ist im Rechnen und in der Mathematik falsch. Setz dich einen Platz herunter, Bracke.“


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Klabund: Bracke, Berlin 1925., Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Bracke_(Klabund)_039.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)