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Der hatte das Unglück, – denn das ist’s für den armen Menschen geworden, – sich in eine tugendsame schöne Jungfer, geringeren Standes als er, aber ehrlicher Eltern Kind, zu verlieben, und sich, da sie nicht minder ihm gewogen war, mit ihr zu verloben, bevor die beiderseitigen Väter darum befragt waren, was allerdings hätte geschehen müssen. Der Vater der schönen Braut, der sich durch solche Verheirathung seiner Tochter nur einem Graduirten, eines sehr reichen Kaufmanns Sohn, nicht wenig geehrt fühlte, gab freilich alsbald seinen Segen zur Sache. Aber des Licentiaten Vater dachte anders. Er war ein stolzer, hochfahrender und geiziger Mann, das Geld war sein Abgott, Reichthum sein Glück, Gelderwerben und Reichwerden das einzige Streben, das er vernünftig nannte und schätzte. Dabei war er stets ein harter strenger Vater gewesen und forderte den Gehorsam eines unmündigen Kindes noch von seinem erwachsenen Sohne. Als dieser ihm nun das Geschehene mittheilte und um seinen väterlichen Segen zur Verlobung bat, da weigerte er sich dessen, und wie sehr der Sohn auch flehen, und wie inständig auch gute Freunde und hohe Gönner sein billig Ansuchen unterstützen mochten: der Vater blieb unerbittlich; sei’s, daß ihm die Parthie des Sohnes wegen des geringeren Standes der Braut nicht anstand; sei’s, weil sie kaum eine Aussteuer, geschweige denn Mitgift und großes Vermögen in die Familie bringen konnte; oder, weil er’s übel vermerkt hatte, daß der Sohn, ohne ihn vorher zu befragen, sich in diese Sponsatien eingelassen: genug, er blieb eigensinnig bei seiner hartherzigen Weigerung. Und ob er gleich sah, wie sein Sohn sich abhärmte und täglich mehr dahin schwand vor Liebesgram und Kummer über diese trostlose Herzens-Angelegenheit, die ihn mit dem Vater verzwistet hatte, von der er aber dennoch nicht lassen konnte; und ob er gleich wahrnehmen mußte, daß er sein eigen Fleisch

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 335. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_335.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)