Seite:De Beneke Hamburgische Geschichten und Sagen 323.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es wurde also das in solchen Fällen gebräuchliche alte Gassenrecht über ihn abgehalten und der Todte beschrieen. Nachdem nämlich der Gerichtsvogt vom Fiskal erbeten, ein freisam Straßenrecht hegen zu dürfen, und dabei dem umstehenden gaffenden Volk verboten hatte: Unlust, Hader, Geschrei u. s. w., stellete der Fiskal seine öffentliche Klage an, von wegen der Herren des Rathes, und verlangte ein Urtheil, den Mörder zu eschen (heischen), nachdem der Entleibte zu dreien Malen beschrieen sei. Worauf der jüngste Procurator antrug, dies durch den Frohnboten vornehmen zu lassen, welcher dann auch nach der durch den Fiskal eingeholten Erlaubniß des Gerichtsvogtes, sein Eggewapen (Schwert) blößete, und dreimal hinter einander ausschrie:

„Zeter über den Mörder, so diesen frevelichen Mord in dieser ehrenreichen Stadt vollführet.“

Darauf wurde gegen den unbekannten Mörder die Eschung (Heischung) ausgerufen, damit er gestellet würde zu der Herren Hechte, Schlösser und Helden (Haft und Fesseln), und wider ihn ergehe, was Rechtens; und schließlich sprach der Vogt: „dieweil nicht möglich, daß der Todte bei den Lebendigen bleiben kann, so soll man den todten Körper christlichem Gebrauche nach zur Erde bestättigen.“

Darnach also hat man ihn in der Domkirche mit einer ansehnlichen Leichenfolge zu Grabe gebracht. Wie er aber schon 14 Tage in der Erde gelegen, ward es ruchtbar, daß er keineswegs von der Hand eines Feindes umgebracht wäre, sondern, daß er sich selber ganz gottloser Weise entleibet hätte. Nachdem nun solche Frevelthat genugsam erkundet und verwahrheitet, wurde auf richterlichen Spruch der todte Körper aus dem Grabe wieder hervor geholet, von dem Schinderknecht auf seiner Slöpe durch die Stadt hinausgeschleift, und auf dem Galgenfelde beim Rabensteine eingescharret.

Empfohlene Zitierweise:
Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_323.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)