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voll Erde darüber und trat sie fest, – aber nach dreien Tagen war die Hand wieder da. Und die Eltern des Knaben kamen, und bei Nachtzeit gruben sie das Grab um 2 Ellen tiefer, und deckten Rasen darauf, und beteten für die Ruhe der armen Seele in mancher lieben Morgen- und Abendstunde, und ließen Seelenbäder und Messen im Dom lesen für den verdorbenen gestorbenen Sohn, daß er Ruhe im Grabe fände, es half aber alles nichts, die rechte Hand, mit der er seine leibliche Mutter geschlagen hatte, stand immer lang aus dem Grabe hervor, zu Jedermanns Entsetzen und Grausen.

Da war ein Canonicus am Dom, ein weiser frommer Herr, der wußte endlich Rath, und ließ durch des Domvogtes Schwert, das zuvor geweiht war, die Hand abhauen und in den Dom tragen, woselbst er sie auf ein Mauer-Gesimse, dem hohen Chor gegenüber, hinlegte. Damit hatte die arme Seele für begangene Missethat die gerechte Strafe, die im Leben ausgeblieben war, noch nachträglich an dem verbrecherischen Gliede des Körpers empfangen, denn es stehet geschrieben: „Auge um Auge, Zahn um Zahn, und womit du gesündiget, daran wirst du gestraft werden.“ Und von Stund’ an blieb das Grab ruhig, und keine Todtenhand langte wieder heraus ins Leben.

Die abgehauene Hand aber blieb auf ihrer Stelle im Dom und verdorrte und wurde steinhart, verging aber nicht; und alljährlich zur Adventszeit, wenn die Kreuzgänge und Vorhallen voll Krambuden, Verkäufer und Käufer und zumal voll Kinder waren (denn der Weihnachtsmarkt wurde hier gehalten, bis man den Dom abbrach, seit welcher Zeit der Christmarkt auf andere freie Plätze verlegt ist, die man dann auch Dom nennt, was kein Fremder versteht und begreifen kann, und viele Hamburger wissen auch nicht, woher der Ausdruck kommt); also in jener Zeit wurde von des Domküsters

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_160.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)