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40. Die verwünschte Linde bei Harvestehude.
(Um 1350.)

Auf dem Felde links an der Chaussee vom Rothenbaum nach Eppendorf steht ein kleiner kugelrunder Lindenbaum, der seit 500 Jahren nicht größer geworden, sondern an Dicke des Stammes, der Aeste und Krone grade so geblieben ist, wie er damals war, nur daß man der Rinde das hohe Alter des Baumes wohl ansehen kann. Der Baum aber ist verwünscht, und das ging, der Sage nach, also zu.

Im Kloster Frauenthal zu Harvestehude hatte ein junges schönes Mädchen von vornehmen Geschlecht zu Hamburg aus Liebesgram den Schleier genommen. Sie hatte sich verlobt mit einem jungen Edelknappen der Umgegend, der war zu Heerfahrten in die Welt gezogen, um sich zu versuchen, die güldenen Sporen zu verdienen, mit Ehre und guter Beute dann zurückzukehren und sie auf seine väterliche Burg heimzuführen als sein ehelich Gemahl. Die Zeit aber war längst um gewesen und der Geliebte nicht gekommen. Darum wollte sie ihr Vater des Versprechens ledig achten und sie zwingen, einen andern Mann zu heirathen. Und da sie den nicht leiden konnte, sie auch noch immer in treuer Liebe ihrem fernen vielleicht längst verstorbenen Geliebten anhing, so wußte sie sich nicht anders zu helfen, als daß sie ins Kloster ging.

Einige Zeit darnach aber kehrte der junge Ritter heim, und da er erfuhr, was geschehen, faßte er den Plan, seine vormalige Braut, es koste was es wolle, aus dem Kloster zu entführen und in ferne Lande mit ihr zu flüchten. Er wußte es auch anzustellen, daß sie Kundschaft von ihm empfing, und daß er sie einige Male in stiller Nachtzeit im Klostergarten sprach. Da ist er allemal durch die Alster geschwommen, über die Mauer geklettert und hat sie unter den großen Eichen,

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_101.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)