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anzusehen. Solche Abirrungen der Natur von ihren sonst so unwandelbaren Gesetzen konnten nichts Gutes bedeuten, und da obendrein die Winterkälte so entsetzlich hart war, daß viele arme Leute todt froren, so ermahnte der fromme Erzbischof Unwannus Geistliche wie Laien zu außerordentlichen Gebeten, zur Buße und Besserung, dieweil ein Gericht Gottes im Anzuge sei.

Bald darnach schwollen nun auch Elbe und Weser furchtbar an, und ergossen ihre Fluthen mit Sturm und Ungewitter über die Uferlande, daß die meisten Menschen auf der schnellen Flucht nur das nackte Leben retteten und unzählig viele jammervoll umkamen. Und während der drei Tage und drei Nächte, daß die Überschwemmung dauerte, haben die Fluthen der Elbe und Weser zischend gebrodelt und geballt, als wenn sie kochten und siedeten, und die Wellen haben wie Feuersflammen empor geleckt, so daß Feuer und Wasser, sonst einander so feindliche Elemente, Eins geworden waren.

Nachdem nun solche Empörung in der Natur sich gelegt und die Fluthen allgemach sich verlaufen, hat man an vielen Stellen todte Menschen gefunden, die lagen in großen Haufen beisammen und waren durch todte Schlangen, welche sich um sie gewickelt, dergestalt mit den Gliedern verschlungen, daß man sie selbst mit Gewalt nicht von einander trennen konnte. Also, da man sie einzeln nicht bestatten konnte, hat man da, wo sie lagen, Erde auf die Haufen geworfen und nach Art unsrer ältesten Vorfahren mächtige Hügel darüber geformt, und riesige Steine darauf gewälzt.

Diese Hügel sind nach und nach eingesunken und niedriger geworden; und später, als sich immer mehr Menschen ansiedelten in den flachen, von ihnen eingedeichten Marschen, da errichteten die ersten Anbauer ihre Wohnungen

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_025.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)