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Rabenstein aus Galgenvögeln und Galgenaugen geboren wird, so hat er einen heimlichen und unüberwindlichen Trieb zu Galgen und Rad in sich, eine Witterung, die seinen Träger und Besitzer treibt, daß er mit dabei seyn muß, wann es an solchen hohen Stellen etwas zu thun giebt. Wenn daher auf der Insel in einem Hochgericht und an einem Galgen einer geköpft oder gehängt werden sollte, so trieb’s ihn mit Teufelsgewalt und wie auf Windesflügeln hin; er mußte mit dabei seyn, und sollte er drei vier Meilen in zwei Stunden laufen, daß dem Athemlosen die Zunge aus dem Halse hing. Das war aber noch viel schlimmer und grausiger, daß er die Geburtstage und Jahrestage der gerichteten armen Sünder mitfeiern mußte. An dem Jahrestage der Hinrichtung nämlich versammmeln sich die Geister der Gerichteten, damit sie ihren nächtlichen Todtentanz um die Hochgerichte halten; und diesen Tanz begehen sie um die grausige Mitternacht, und da müssen alle die mitfeiern und mittanzen, welche den Rabenstein haben. So mußte denn auch Fritz manche liebe Nacht, wo er gern anderswo geweilt oder geschlafen hätte, im Hagel und Schnee im Sturm und Donnerwetter hinaus in das wilde Weite und über Haiden und Felder gleich einem Kain zu Galgen und Hochgericht fortsausen und den schaurigen Tanz mittanzen, bis ihm oft der Athem schier auszugehen anfing; denn seine Mittänzer und Mittänzerinnen hüpften begreiflicher Weise auf den allerleichtesten Füßen einher. Und die Leute konnten ihm die Reife zu einem solchen nächtlichen Ball wohl anmerken, und ihm daß irgend was Unrechtes widerfahren war – denn

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 358. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_358.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2022)