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uns die Pferde, ein wunderschönes Weib mit, von welcher kein Mensch wußte, ob sie eine Heidin oder Christin war. Sie war aber nicht sein eheliches Weib sondern seine Kebsin[1]. Mit dieser zeugte er ein Feierabendskind, und das war ein Knabe und hieß auch Friedrich. Es war aber kein Friederich sondern ein rechter Kriegerich; denn der Krieg und die Wildheit steckte darin, und er war von keinem Schulmeister noch Züchtiger zu bändigen sondern ging durch wie ein kosackisches oder tartarisches Pferd. Er war aber schön wie Sonnenschein und stark wie Eichbäume und bei all seiner Wildheit den Menschen über die Maaßen angenehm und gefällig; so daß jeder den Buben gern hatte. Nach seines Vaters Tode, als er fünfzehn Jahre alt war und nun einem älteren Bruder gehorchen sollte, welcher der Sohn der ächten Ehefrau des alten Rotermund war, ertrug er die strengere Zucht nicht sondern entlief und kam nach der Insel Hiddensee, und ging von da zu Schiffe in alle Welt hinaus und ward ein gewaltiger Matros. Als er sich das muntre Seeleben ein halbes Dutzend Jahre versucht hatte, ist er einmal wieder nach Stralsund gekommen und von da zu Hause nach Bergen in Rügen, wo seine Mutter wohnte. Und seine Mutter und andere Freunde haben ihn dort beredet, er solle auf dem Lande bleiben, welchem Gott feste Balken untergelegt hat, und das unstäte und unsichere Meer verlassen. Und er ist zu einem Förster in die Lehre gegangen, daß er das fröhliche und lustige Waidwerk lernte, und bald ein f1inker und hübscher Jägerbursch geworden, vor welchem die Weiber und Mädchen in den Thüren und Fenstern still standen und aus–

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_355.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2018)