Seite:De Arndt Mährchen 2 351.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Matros nicht leicht erklettern kann , baut der kluge Vogel Rabe sein Nest. Da muß er lauschen und lugen, wo er Rabentöne aus hoher Luft klingen hören und Rabennester entdecken mag, und zwar an solchen Tagen, wo Schnee gefallen ist; denn dann kann er allein die rechten Nester finden. Er mag nämlich alle Nester ruhig sitzen lassen,

unter deren Bäumen Schnee liegt; denn in solchen ist kein Nabenstein. Der Rabenstein nämlich ist so warm von oben, daß es unter seinem Neste nimmer friert noch thaut und daß der Schnee in der Minute vergeht, in welcher er fällt. Aber wer dies auch weiß, kann doch wohl hundert Jahre in allen Wäldern und unter allen Bäumen herumlaufen und sich die Augen aus dem Kopfe gucken, und findet doch das Nest mit dem Rabenstein nicht. Denn das Glück oder gottlob leider der Teufel läßt sich nicht immer so leicht greifen, als die einfältigen Leute sich einbilden. Denn überhaupt sind wenige Raben in der Welt und von diesen wenigen wie wenige werden hundert Jahre alt oder gar zweihundert und dreihundert! weil strenge Winter wilde Buben Jäger und mächtigere Raubvögel die meisten in der Jugend verderben – und ferner, wie schwer auch sind die Rabennester zu finden, da der Rabe nur einen Klang oder Ton macht, wann er in hoher Luft fliegt oder auf dem Aase sitzt oder im Neste angegriffen wird, sonst aber der verschwiegenste und einsamste aller Vögel ist! Hat nun auch einer einmal einen solchen Baum gefunden, so will es noch ein rechtes Löwenherz ja Satansherz dazu, den Rabenstein aus dem Neste herunter zu holen. Denn hört, wie das geschehen muß:

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_351.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)