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eine gemeine Uebelthäterin, welche die Königliche Majestät habe betrügen wollen, gerichtet werden. Und die alte Hexe und ihre Töchter hatten dies noch audrufen gehört, als sie in den Wagen stiegen, und waren mit Schrecken und großer Angst eilends den Weg zu ihrem Schlosse herunter gefahren. Es kam auch nach dieser Verkündigung von dem Könige Schrecken über viele, und keine einzige Tänzerin trat mehr zur Schuhprobe heran, und das Spiel war für diesen Abend vorbei.

Traurig und erschrocken kam die alte Hexe mit ihren Töchtern heim; und Aschenbrödel lag schon wieder in seinem Schmutz und in der Asche, und von der Herrlichkeit des Balles und von der rothen Maske war auch keine Spur mehr an ihr. Die Alte aber mußte ihren Töchtern ganz stillchen die Füße verbinden und durfte sich von dem Unglück nichts merken lassen. Und die Drei gingen gar betrübt zu Bett und ächzeten und stöneten jämmerlich wegen der abgeschnittenen Zehen. Als nun alles im Hause still ward und die Lichter sich auslöschten, machte Aschenbrödel sich nach ihrer Gewohnheit auf, wusch sich und zog ihre reinen linnenen Kleider an, und ging sich auf ihres Vaters Grab unter der Buche setzen. Ihr war aber außerordentlich unruhig beklommen und wehmüthig um das Herz, doppelt wehmüthig, weil oben auf dem Berge noch alle Kerzen und Lampen brannten. O wie viele Kerzen brannten und leuchteten auch in ihr!

Eben so brannte und leuchtete es auch in dem Könige. Als Trompeten und Saitenspiel schwiegen und der letzte Jubel des Festes in einzelnen matten Tönen zu ver–

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_314.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)