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ein Gärtchen angelegt gleich den vorigen. Es ist aber wunderbar gewesen, wie geschwind die Bäume dort gewachsen sind und wie bald der bunteste Blumenflor dort wieder in Blüthe geprangt hat, daß einer hätte glauben können, es sey Zauberei dabei gewesen.

Der Prinz ist den andern Tag nach ihrer Flucht aus dem Thale wieder den Berg herab gekommen zu der Stelle, wo er das süße und englische Blumenkindlein gefunden, und hat sie in dem Garten und unter allen Blumen, in allen Lauben und an allen Quellen gesucht, aber nirgends mehr eine Spur von ihr finden können. Aber als er zu der Stelle gekommen, wo jüngst das Häuschen noch gestanden und wo nun schwarze Kohlen und graue Aschen lagen, ist er in sich gewaltig erschrocken und hat eine Weile so starr da gestanden, als solle er augenblicklich zu Stein werden. Darauf flogen ihm mancherlei wilde und verworrene Gedanken durch die Seele; der traurige Gedanke aber ist endlich fest darin gesessen, daß Räuber gekommen und sie erschlagen und verbrannt oder auch den Alten erschlagen und das schöne Kindlein mit sich weggeführt hätten; denn das däuchte ihm zuletzt unmöglich, daß an solche Huld und Lieblichkeit ein Mörder die Hand legen könne; und mit dieser Vorstellung tröstete er sich doch ein wenig. Und er ist lange Zeit in dem Garten traurig auf und ab gegangen und hat jede Blume und jedes Sträuchlein mit einer Thräne begossen; denn nun, da sie weg war, fühlte er erst, wie lieb ihm das Kind Nanthilde gewesen. So ist er endlich schmerzenreich zu Hause geritten und hat seinen Gram und seine Sehn–

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_288.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)