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19.
Der Baurendom.

Es war einmal ein kleines Mädchen, ein Kind guter und frommer Aeltern, die hieß Mariechen. Sie war ein sehr hübsches und freundliches Kind und hatte ein sehr liebendes und zärtliches Herzchen und überhaupt ein sehr lebendiges Gemüth, was sich in tausend kleinen Zeichen und Spuren offenbarte. Ihre Aeltern entdeckten das sehr bald und hatten insgeheim manche Sorge darüber und sprachen wohl oft bei sich: Wie wird es unserm Mariechen einmal gehen? das Kind ist zu zart und dünn für diese grobe Erde gestaltet und sein leicht bewegliches und zärtliches Seelchen wird hier von rauhen Winden viel umher gewehet werden und doch schwerlich finden, was es sucht. Denn sie sahen, wie das Kind alles mit leidenschaftlicher Heftigkeit ergriff und wie es über den Tod eines Würmchens ausser sich seyn und über ein abgebrochenes Blümchen weinen konnte. Sie suchten diese zu zarte Empfindsamkeit des kleinen Mädchens nun freilich zu zügeln und hielten Mariechen mehr als ihre andern Kinder zu strenger Ordnung und gemessener Arbeit an, damit sie nicht Zeit hätte zum Träumen; aber das half nicht viel. Das Kind verrichtete seine Arbeit mit Gehorsam und Fleiß,

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 445. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_445.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)