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und näheten. Sie gebrauchten jetzt mehr Geld als sonst, sie fingen allmälig an zu mausen, ach! sie stahlen zuletzt. Einmal hatten sie einen bunten seidenen Rock gestohlen, der in einem Nachbarhause am Fenster hing, und an einen herumziehenden Juden verkauft. Ein armer Schneidergesell, bei welchem man viele bunte Lappen und Streifen Zeug gefunden, die er auch wohl gemaust haben mogte, war darüber angeklagt gerichtet und gehängt worden. Er hing und baumelte an dem lichten Galgen. Eines Abends spät kamen die beiden Dirnen mit andern Gesellen und Gesellinnen von einem Dorftanze zurück und der Weg ging an dem Galgen vorbei. Da rief einer aus der Schaar, ein leichtfertiger Gesell: Fritz Schneiderlein! Fritz Schneiderlein! wie theuer wird dir dein bunter Rock! Kaum aber hatte er das Wort gesprochen, so schlug die Sünde wie ein Blitz in die beiden Dirnen, die schuld waren an des armen Schneiders Tod. Sie stürzten beide wie todt zur Erde hin, und die andern, die es sahen, liefen voll Schrecken weg, als hätten ihnen alle Galgenvögel schon in dem Nacken gesessen. Sie haben die Geschichte in der Stadt erzählt, und die Leute sind hingegangen, aber die beiden Dirnen haben sie nimmer gefunden.

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 431. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_431.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)