Seite:De Arndt Mährchen 1 428.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

frommen Wittwe, die sich vom Spinnen Nähen und Waschen und von anderer Arbeit knapp aber doch ehrlich ernährte. Sie hatte nur diese beiden Kinder, von welchen die älteste Grethchen und die jüngste Kathrinchen hieß. Sie hielt, wie sauer es ihr auch ward, die Kinder immer nett und reinlich in Kleidung und schickte sie fleißig zu Kirche und Schule, und als sie größer wurden, unterwies sie sie in allerlei künstlicher Arbeit mit der Scheere und Nadel und hielt sie still in ihrem Kammerlein in aller Ehrbarkeit und Tugend. Und Grethchen und Kathrinchen gediehen, daß es eine Freude war, und wurden eben so hübsch und fein, als sie fleißig und ehrbar waren; so daß alle Menschen ihre Lust an ihnen hatten und die Nachbarn sie ihren Töchtern als rechte Muster zeigten und lobten. Die Wittwe starb und die beiden Schwestern blieben in ihrem Häuschen und lebten, wie sie mit der Mutter bisher gethan, von ihrer Hände Arbeit. Aber es blieb nicht lange mehr so still in dem Häuschen, als es sonst gewesen war. Die Falken und Habichte, welche auf schönes junges Blut lauren, merkten, daß die Hüterin weg war, welche die Täubchen sonst bewacht hatte, und es fanden sich häufig lose junge Gesellen ein, welche die Mädchen zu Tänzen und Gelagen und zu Spaziergängen auf die

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen. Erster Theil. Berlin 1818, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_1_428.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)