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vor dem Bilde des Erlösers seine Kappe demütig ab. Durch die Bewegung des Bauers stuzte der Hirsch, machte Kert und verschwand mit gewaltigen Säzen. Zornig rief der Jäger den Bauern an: „Was hast du da gemacht?“ Der Bauer antwortete: „Ich hab’ unsern Herrgott gegrüßt!“ Der Jäger darauf: „Wart, ich werd’ dir deinen Herrgott grüßen!“ Sprach’s und schoß die Ladung seiner Flinte dem Crucifix in die Füße. – Von Stund an versagten im seine Füße den Dienst immer mer, biß er unfähig war, sich allein fortzubewegen.


10 La bonne pierre

Bei Wackenbach, einem Dorfe bei Schirmeck, ligt oben im Walde, jezt hart am Rande einer neuen Forststraße, die nach Fréconrupt fürt, ein großer Felsblock, in dem sich ein kleines dreieckiges Loch befindet. Die Bauern nennen den Stein „la bonne pierre“ und pflegen in die Hölung kleine Kupferstücke zu legen, zu opfern. Die Berürung des Steines gilt auch als heilkräftig. Leidet ein Kind an einem Uebel, so wird das Kleidungsstück, das den kranken Körperteil berürt, an dem Steine aufgehangen. Das Uebel läßt dann sicher nach.


11 Steinsagen aus der Umgebung von Schirmeck

An dem Wisenwege von Schirmeck nach Rothau befindet sich ein Felsen, von dem geglaubt wird, daß aus im die Kinder hervorkämen.

Ein anderer Felsen, der am Wege von Rothau nach Natzweiler ligt, dient den Mädchen als Orakel. Sie werfen an dem jäh abfallenden Felsen Steine hinauf. So vilmals der Stein herabfällt, so vile Jare müßen sie warten, ehe sie einen Mann finden.


12 Schazsagen von Salm

Salm, das Stammschloß des noch jezt blühenden fürstlichen Geschlechts der Salm-Salm, ligt unweit Rothau. Dicht unterhalb der verfallenden Ruine haben sich eine kleine Anzal Widertäufer angesidelt, die dort ein stilles, arbeitvolles Leben füren. Sie erzälen mancherlei von dem Schloße. So soll bei der Einname desselben die Erzieherin mit den Schäzen geflohen, aber eingeholt und getötet worden sein. Sie hatte jedoch noch Zeit gehabt, die Schäze zu bergen. Sie fand keine Ruhe, zeigt sich oft den Umwonern, das Haupt bedeckt mit einem großen Strohhute, eine große Schürze vorgebunden und einen Rechen in der Hand. Ir Erscheinen kündet das sichere Umschlagen des Wetters, das Eintreten von Regen an[1].


  1. Vgl. Gemeindezeitung f. Elsasz-Lothringen 1881 No. 53.
Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XI. Marcus, Bonn 1883, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XI_031.gif&oldid=- (Version vom 31.7.2018)