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Grabe zu singen. Als der Zug sich ordnete und der Sarg hinabgetragen wurde, sah plözlich einer der Schüler den Verstorbenen mit seiner Zipfelmüze zum Fenster hinausschauen und im hönisch zunicken. Auf den Schreckensruf des Knaben sahen alle auf und starrten die Erscheinung sprachlos an. Die lächelte, nickte und sprach gelassen in irer hönischen Weise: „Habt wol geglaubt, ir wäret mich los, ja, so weit ist es aber noch nicht!“ Der Pfarrer erholte sich zuerst und rief: „Fort mit dem Sarge“. Und so bewegte sich dann der Zug mit etwas ungewönlicher Eile dem Kirchhofe zu und bald schloß sich die Erde über dem ruhelosen Mann.

Er sollte die Ruhe auch jezt noch nicht finden. Die Umwoner des Fridhofs beklagten sich bald über fortwärendes lautes Lärmen, das sie auf das äusserste ängstigte. Sie ließen in irer Bedrängnis zwei Kapuziner kommen, die bei dem Volke in dem Rufe sten, alle Geister bannen zu können. Dise gruben den Polterer wider aus und bannten in unter eine Brücke. Aber auch hir neckte und ängstigte er die Vorüberziehenden. Es sprang den Bauern, die zum Markt in die Stadt wollten, unsichtbar auf den Rücken und ließ sich als schwere Last biß zur Stadt schleppen. Nochmals wurden die Kapuziner gerufen und dißmal bannten sie in in den tiefen Brunnen seines eigenen Hauses, der dann vermauert wurde. Von jezt an ließ er nichts mer von sich hören. Das Haus, ein weitläufiges Gebäude neben dem Schloß gelegen, kam in den Besiz zweier alten Damen, die dasselbe gern verkaufen wollten. Doch kam kein Verkauf zu Stande, da die alten Damen zur Bedingung machten, daß der Brunnen vermauert blibe. Erst nach irem Tode ließ der Erbe den Brunnen aufdecken. Der Geist zeigte sich im Widerspruche mit der Stadtmeinung nicht mer.


15 Weshalb die Börscher Esel heißen

Bekannt ist, daß fast jedes Dorf und jede Stadt einen Spiznamen bei den Nachbaren hat. So auch im Elsaß. Die Bewoner des kleinen Städtchens Börsch, das unweit Oberehnheim schön an den Vorbergen der Vogesen ligt, füren den wenig erenden Beinamen Esel. Sie teilen dises Geschick mit den Bewonern von Epfig, Wangen und Westhalten. In disen Orten ist noch jezt ein Grif an die Rockschöße gefärlich, da diß für eine Anspilung auf die Eseloren gehalten wird. – Wie die Börscher zu dem Namen kommen, davon erzält man folgendes.

Der Gemeinderat von Börsch fand, als er einst den Gemeindewald abgieng, um die Holzschläge zu bestimmen, einen Kürbis. Keiner kannte den Fund und allseitig wurde angenommen, daß es ein Ei eines unbekannten Tieres sei. Man ließ aus dem Städtchen eine alte Frau kommen und bewog sie durch Zureden sich auf das fremde Ei zu sezen, um dasselbe auszubrüten. Als dise jedoch einmal aufstand, stieß sie an den Kürbis und diser rollte den

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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XII. Marcus, Bonn 1884, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XII_115.jpg&oldid=- (Version vom 30.8.2019)