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bei Schlettstadt: Wilro 829), gegen den Flecken Mariville oder Villars hin (Markirch). Dort erbaute er seine Hütte. Bald aber vertriben in die umwonenden Bauern. Denn als sie sahen, daß einige reiche und gottesfürchtige Leute dem heiligen Deodatus Gut und Eigentum zuwanten, fürchteten sie aus irem Erbgut nach und nach vertriben zu werden. Gottes Zorn traf sie aber bald. Alle Kinder, die nach der Vertreibung des Heiligen das Liecht der Welt in disem Orte erblickten, hatten einen Kropf. Um diser Strafe zu entgen, begaben sich die Frauen, die irer Entbindung gewärtig waren, über einen Bach, der vor der Stadt floß. Die Kinder, die jenseits des Baches geboren wurden, waren frei von diser Zugabe der Natur.

Chronique de Richer, moine de Senones, publié par Jean Cayon Nancy 1863. liv. I cr. V (vrgl. Ruy J. recherches des sainctes antiquitez de la Vosge Province de Lorraine. Epinal. 1634. liv. I c. VIII).


2 Ein Hexenmal bei Heiligenstein[1]

Von einer Magistratsperson aus Barr, gleich unfähig sich einer Täuschung hinzugeben, als auch andere zu täuschen, habe ich folgendes vernommen. Am 16. October 1716 ward ein Schreiner, Bürger des benachbarten Dorfes Heiligenstein, um 5 Ur des Morgens in Barr auf den Speicher eines Küfers aufgefunden. Der Küfer war hinaufgestigen um Werkholz für den Tagesgebrauch zu holen. Als er die Türe öffnete, die von außen verrigelt war, erblickte er einen Mann, der auf dem Gesichte ligend lang hingestreckt in tiefem Schlafe dalag. Geweckt und gefragt, was er da mache, antwortete der Schreiner, den man übrigens kannte, mit größtem Erstaunen, daß er nicht wiße, weder durch wen, noch wie er hierhergelangt sei. Nicht zufriden mit diser Auskunft und in der Meinung, der Mann wäre da, um etwas zu stelen, ließ in der Küfer vor den Amtmann füren. Im Verhöre sagte er offenherzig aus: er habe sich um 4 Ur des Morgens von Heiligenstein nach Barr auf den Weg gemacht. Unterwegs habe er plözlich auf einem schönen Rasenplaze ein prächtiges Fest gewart, eine reich geschmückte Gesellschaft habe sich bei glänzender Beleuchtung an reich besezter Tafel und an ausgelaßenem Tanzen vergnügt. Zwei Frauen aus Barr hätten in eingeladen, sich unter die Gesellschaft zu mengen. Er sezte sich an die Tafel und ließ sich das leckere Mal wol schmecken. Nach kaum einer Viertelstunde rief einer der Gäste: Rasch, rasch! Er fülte sich sanft in die Höhe gehoben und one zu wißen wie auf den Speicher des Küfers versezt. –

Diß war die Aussage vor dem Amtmann. Sonderbar dabei war, daß die beiden Frauen, die in zum Feste eingeladen hatten, sich nach kaum beendeter Aussage des Schreiners jede in irem


  1. Brief des Herrn G. P. R. vom 5. October 1746.
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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XII. Marcus, Bonn 1884, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XII_108.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)