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gut mit ihnen, ich bemerke keine Röthe. Sein Kamerad starrte aber unverändert in den See hinein, und liess sich nicht von dannen bringen. Somit ging der Eine allein hinweg und wohl mehr aus Angst, das Wahrzeichen möchte noch kommen, als aus Ueberzeugung, dass es mit den Seefräulein keine Gefahr mehr habe.«

»Jener wartete noch eine gute Weile, und wollte eben getrost den See verlassen, als er etwas wie ein Wehklagen aus der Tiefe herauf vernahm und nicht lange hernach das Wasser an einer Stelle unruhig werden und blutrot überwallen sah. Da graute ihm, und er lief dem Andern mit zerstörtem Sinne nach. Wie steht es? rief ihm dieser zu. Er gab ihm keine Antwort, todtenbleich trat er neben ihn und so liefen sie ohne ein Wort zu sprechen, aber wohl wissend, dass die Seefräulein den Ungehorsam gegen ihre Aeltern mit dem Leben gebüsst, der Heimat zu. Sie massen sich einen Theil der Schuld hievon bei und blieben vom Andenken an jene Nacht, in welcher ihnen Lieb und Leid im höchsten Masse begegnet, viele Jahre lang stille, in sich gekehrte, von allem lautfrölichen Wesen abgewandte Pursche.«

»Lasst Euch sagen, was sich ein andermal begeben, und das hört sich um ein Gutes ergötzlicher an, als das Vorige; – manche Jahre, ehe jenes geschehen, kam das Seemännlein nach Hutzenbach, ging zu der Hebamme und bewog sie, ihm zu folgen. Er nahm sie mit sich hinab in den See und führte sie in ein Zimmer, das von den hellsten Krystallen, den vielfarbigsten Korallen wiederglänzte und auch sonst auf’s wunderbarste ausgestattet war. Hier versah sie denn bei dem Seeweiblein, als deren Stunde gekommen, ihren Hebammen-Beruf wie bei andern Frauen und erhielt zur Belohnung für ihre Verrichtung – ein Büschel Stroh.«

»Sobald sie wieder an’s Tageslicht kam, warf sie dieses nicht ohne Aerger über die kargen Seeleute weg, und sagte bei sich: Habe ich doch genug Stroh daheim, und glaube für meine Willfährigkeit etwas Besseres verdient zu haben. Ein Hälmchen hatte sich an ihren Rock gehängt, und so wie sie diesen zu Haus ablugen wollte, fiel es als ein blankes Goldstück klingend auf den Boden.«

»Nun ärgerte sie sich noch weit mehr über ihre Thorheit, denn wohl hätte sie den Wasser-Geistern etwas Besseres zutrauen sollen. Eiligst lief sie wieder der Stelle zu, wo sie das Stroh weggeworfen, – es war aber weder Stroh noch Gold zu sehen.«

In den alten Reisebüchern und Erdbeschreibungen ligt das Merkwürdige zerstreut umher als ein Wunderbares, Unendliches, Grenzenloses. Die neuere Erdkunde hat freilich diesem Mirakulosen in allen Welttheilen den Nimbus abgestreift, indem sie das einzelne Auffallende aus allgemeinen Erscheinungen zu erklären sucht. Wenn aber dort von der Phantasie zu viel geschah, so geschieht hier oft vom Verstand zu wenig, und während er dem alten Aberglauben steuert, wird er selbst zu einem eiteln Wissens-Wahn,

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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_166.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)