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2 Der Schatz auf Waldeck.

Der Waldecker Hof ligt ungefähr 1 Stunde von Teinach im Nagoldthale zwischen Wildberg und Calw. Auf einer waldigten Anhöhe oberhalb des Hofes ligen die Ruinen des alten Schlosses Waldeck, dessen Inhaber in den ältesten Zeiten Vasallen und Truchsessen der Grafen zu Calw waren. Eine noch jezt im Munde des Volkes lebende Sage erzählt, es habe daselbst einst ein Raubritter gehaust, welcher unermessliche Schätze zusammengehäuft und in einem unterirdischen Versteck mitten im Berge verborgen habe. Dieser Schatz lige noch in dem Berge und werde von einem gespenstischen schwarzen Hunde bewacht, erscheine jedoch in der Kristnacht jedes Jahr oberhalb der Erde. Auch wandle in den Ruinen und ihren unterirdischen Gängen der Geist der Tochter jenes Raubritters, die Jungfrau im Schacht genannt, ihrer Erlösung harrend umher. Oefters schon sei sie Kindern der Bewohner des Waldecker Hofes, bald als Jungfrau, bald als eine schöne zahme Schlange erschienen, habe mit ihnen gespielt und ihnen als Jungfrau eines ihrer langen goldenen Haare oder als Schlange einige ihrer Schuppen geschenkt: das Haar waren goldene Spitzen und Bänder, die Schuppen Goldstücke. Wer die Jungfrau in der Kristnacht erlöst, bekommt den Schatz. Müllers Teinach 1834. S. 66.

3 Die Triberger Wallfart[1].

Oberhalb Triberg auf hohem Felsen gegen Sonnen-Untergang stand ein grosser Tannenbaum mit zackigten Aesten. Hart daran vorbei gieng der Fussweg durch wildes Gebüsch und Granitblöcke eingeengt Schonach zu. Zur Weges Seite rann aus hartem Gestein klares gesundes Wasser: kurz Wasser und Baum waren in der Menschen lieben Erinnerung, und das mit Recht, denn der Himmel hatte etwas ganz Besonderes damit vor. Eine fromme Hand, Niemand weiss wes sie war, schnitt in die Tanne eine Oeffnung und schob ein pergamentenes Muttergottesbildchen hinein. Jeder ders wusste lüpfte seinen Hut im Vorbeigehen und betete auch bisweilen einer davor. Das Bildchen fällt vom Baume, die kleine Barbara Kierzler vom Städtchen mit ihrer Mutter findet es, puzt und küsst es und wills natürlich heimnehmen; was die Mutter zulezt zugab. Das Bildlein kömmt wieder an seine Stelle, denn nach mehreren Tagen wollte sichs nicht mehr in der Kruzifixecke aufhalten, ganz so wies der Vater voraussagte. Barbara sei krank geworden und ihre Gesundheit (im Traume) habe von der Zurückschaffung des Bildchens abgehangen. Man brachte es wieder in den Baum. Der Wallfartsdirektor Dr. Degen bezeugte, die Wiedergenesung. Noch viel schlimmer war der miselsüchtige Friedrich Schwab von Triberg daran, er ward ins Siechen- oder Gutleuthaus geschafft: wäscht sich eines Tages beim Tannenbaum und die Aussatzschülpen fallen von


  1. Vergl. Schnezler, Bad. Sagenb. I, 443. Sagen aus den Rheingegenden etc. von Schreiber. 3. Aufl. 1848. S. 172.
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Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_158.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)