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Anhang.




Eine Auseinandersetzung mit den Moralisten.

Unsere Moralisten sind sehr bescheidene Leute. Wenn sie auch das Dogma von der Arbeit erfunden haben, so sind sie doch über den Einfluß derselben auf die Beruhigung der Seele, die Erhebung des Geistes und die gesunde Funktion der Nieren und der übrigen Organe nicht ganz im Klaren; sie wollen die Sache erst einmal bei der Volksmasse probiren, das Experiment erst „in anima vili“ (an einem niedrigen Wesen) machen, ehe sie es gegen die Kapitalisten kehren, deren Laster zu erklären und gutzuheißen ihre Mission ist.

Aber Philosophen zu 20 Pfennigen das Dutzend, warum denn Euer Hirn so quälen, eine Moral auszudüfteln, deren Praktizirung Ihr Euren Brotgebern nicht anzurathen wagt? Wollt Ihr Euer Dogma von der Arbeit, auf welches Ihr Euch so viel zu Gute thut, verhöhnt, verdammt sehen? So schlagt die Geschichte der Alten, die Schriften ihrer Philosophen und ihrer Gesetzgeber nach:

„Ich vermag nicht zu sagen,“ schreibt der Vater der Geschichte, Herodot, „ob die Griechen die Verachtung, mit der sie auf die Arbeit blicken, von den Egyptern haben, weil ich dieselbe Verachtung bei den Thrakiern, bei den Skythen, bei den Persern und den Lydern verbreitet finde; mit einem Worte, weil bei den meisten Barbaren (Nichtgriechen) Diejenigen, welche die Handwerke erlernen, und selbst deren Kinder, als die letzten Bürger betrachtet werden …; alle Griechen werden in diesen Grundsätzen erzogen, besonders die Lakedämonier.“

„In Athen waren nur die Bürger wirkliche Edle, welche sich mit der Vertheidigung und Verwaltung der Gemeinschaft beschäftigten, gleich den wilden Kriegern, von denen sie ihre Abstammung herleiteten. Da sie somit über ihre ganze Zeit frei verfügen mußten, um ihre intellektuelle und körperliche Kraft der Sorge für die Interessen der Republik zu widmen, so übertrugen sie alle Arbeiten den Sklaven. Ebenso durften in Lakedämon selbst die Frauen weder spinnen noch weben, um ihrem Adel keinen Abbruch zu thun.“ (Biot, De l’abolition de l’esclavage ancien en Occident. 1840.)

Die Römer kannten nur zwei edle und freie Berufe: Landbau und Waffendienst; alle Bürger lebten von Rechts wegen auf Kosten des Staatsschatzes, ohne daß sie gezwungen werden konnten, für ihren Unterhalt durch eine der „sordidae artes“ („schmutzigen Künste", so nannte sie die Handwerke) aufzukommen, die von Rechtswegen den Sklaven zukamen. Als Brutus der Aeltere das Volk aufwiegeln wollte, warf er Tarquinius, dem Tyrannen, namentlich vor, daß er freie Bürger zu Handwerkern und Maurern gemacht habe. (Titus Livius, 1. Buch.)

Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/28&oldid=- (Version vom 4.6.2018)