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dem Handel, der Finanz u. s. w. funktionirenden Kapitalisten. Von diesen 8 Millionen kommen u. A. auf:

  Personen
Ackerbauarbeiter (mit Einschluß der Hirten und bei Pächtern wohnenden Ackersknechte und Mägde) 1,098,261
Alle in Baumwoll-, Woll-, Worsted-, Flachs-, Hanf-, Seide- und Jutefabriken und in der mechanischen Strumpfwirkerei und Spitzenfabrikation beschäftigten 642,607
Alle in Kohlen- und Metallbergwerken Beschäftigten 565,835
In sämmtlichen Metallwerken (Hochöfen, Walzwerke etc.) und Metallmanufakturen aller Art Beschäftigte 396,998
Dienende Klasse 1,208,648

Rechnen wir die in allen textilen Fabriken Beschäftigten zusammen mit dem Personal der Kohlen- und Metallbergwerke, so erhalten wir 1,208,442: rechnen wir sie zusammen mit dem Personal aller Metallwerke und Manufakturen, so ist die Gesammtzahl 1,039,605, beidemal kleiner als die Zahl der modernen Haussklaven. Welch erhebendes Resultat der kapitalistisch exploitirten (ausgebeuteten) Maschinerie!“[1] Zu dieser ganzen dienenden Klasse, deren Zahl den Höhegrad der kapitalistischen Zivilisation charakterisirt, müssen wir die zahlreiche Klasse der ausschließlich zur Befriedigung der kostspieligen und sinnlosen Bedürfnisse der reichen Klassen Thätigen hinzurechnen: Diamantenschleifer, Spitzenarbeiterinnen, Luxus-Stickerinnen, Galanteriearbeiter, Modeschneider etc. etc.

Trotz der Uebel, welche ihr aus demselben erwachsen, gewöhnte sich die Bourgeoisie bald an ihr Parasitenleben und sah mit Schrecken jeder Aenderung der Dinge entgegen. Angesichts der jammervollen Lebensweise, der sich die Arbeiterklasse resignirt unterwarf, und der organischen Verkümmerung, welche die unnatürliche Arbeitssucht zur Folge hat, steigerte sich noch ihr Widerwille gegen jede Auferlegung von Arbeitsleistungen und gegen jede Einschränkung ihrer Genüsse.

Und just zu dieser Zeit setzten es sich die Proletarier, ohne der Demoralisation, welche sich die Bourgeoisie als eine gesellschaftliche Pflicht auferlegt hatte, im Geringsten zu achten, in den Kopf, die Kapitalisten zwangsweise zur Arbeit anzuhalten. In ihrer Einfalt nahmen sie die Theorien der Oekonomen und Moralisten über die Arbeit für baare Münze und gürteten ihre Lenden, die Praxis derselben den Kapitalisten zur Pflicht zu machen. Das Proletariat proklamirte die Parole: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“ Im Jahre 1831 erhob sich Lyon für „Blei oder Arbeit“; die Juniinsurgenten von 1848 forderten das „Recht auf Arbeit“ und die Föderirten vom März 1871 bezeichneten ihren Aufstand als die „Revolution der Arbeit“.

Auf diese barbarischen Angriffe wider alles bürgerliche Wohlleben und alle bürgerliche Faulheit konnten die Herren Kapitalisten nur mit gewaltsamer Unterdrückung antworten; aber wenn sie auch diese revolutionären Ausbrüche zu unterdrücken vermochten, so wissen sie doch, daß selbst in dem Meere des vergossenen Blutes die absurde Idee des Proletariats, den Müssiggängern und Satten Arbeit aufzuerlegen, nicht ertränkt

  1. Marx, das Kapital. 2. Aufl., S . 467-68.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/20&oldid=- (Version vom 11.6.2017)