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Weberei- und Spinnereiarbeiter bereits vor vollendetem zweiten Jahre stirbt. ...“

Ueber die Arbeit in den Werkstätten sagt Villermé: „Es ist keine Arbeit, kein Tagewerk, es ist eine Tortur, und man halst dieselbe Kindern von 6 bis 8 Jahren auf. ... Diese lange tägliche Qual ist es hauptsächlich, welche die Arbeiter in den Baumwollspinnereien entkräftet.“ Und mit Bezug auf die Arbeitsdauer bemerkt Villermé, daß die Sträflinge in den Bagnos nur 10 Stunden, die Sklaven auf den Antillen nur 9 Stunden durchschnittlich arbeiteten, während in Frankreich, das die Revolution von 1789 gemacht, das die pomphaften Menschenrechte proklamirt hat, „es Manufakturen gibt, wo der Arbeitstag 16 Stunden beträgt, von denen den Arbeitern nur 11/2 Stunden Eßpausen bewilligt werden.“[1]

O über diese jämmerliche Fehlgeburt der revolutionären Prinzipien der Bourgeoisie, über die kläglichen Geschenke ihres Götzen Fortschritt! Die Philanthropen nennen Diejenigen, die, um sich zu bereichern, Fabriken errichten und Arbeiter für sich arbeiten lassen, Wohlthäter der Menschheit – es wäre besser, man vergiftete die Brunnen, man säete die Pest, als inmitten einer ländlichen Bevölkerung kapitalistische Fabriken zu errichten. Wo diese erst ihren Einzug gehalten, da heißt es: Adieu Freude, Gesundheit, Freiheit – adieu alles, was das Leben schön, was es werth macht, gelebt zu werden.

Die Nationalökonomen werden nicht müde, den Arbeitern zuzurufen: Arbeitet, arbeitet, damit der Nationalreichthum wachse! und doch war es einer der ihrigen, Destutt de Tracy, der da sagte: „Die armen Nationen sind es, wo das Volk sich wohlbefindet, bei den reichen Nationen ist es gewöhnlich arm“; und sein Schüler Cherbulliez setzt hinzu: „Indem die Arbeiter zur Anhäufung produktiver Kapitalien mitwirken, fördern sie selbst den Faktor, der sie früher oder später eines Theils ihres Lohnes berauben wird.“ Aber von ihrem eigenen Gekrächz betäubt und versimpelt, erwidern die Oekonomen: Arbeitet, arbeitet, um eurer Wohlfahrt willen! Und im Namen der christlichen Milde predigt ein Pfaffe der anglikanischen Kirche, Towsend – er könnte auch Stöcker heißen – : Arbeitet, arbeitet Tag und Nacht: indem ihr arbeitet, vermehrt ihr eure Leiden, und euer Elend enthebt uns der Aufgabe, euch gesetzlich zur Arbeit zu zwingen. Der gesetzliche Arbeitszwang macht „zuviel Mühe, fordert zuviel Gewalt und erregt zu viel Aufregung; der Hunger ist dagegen nicht nur ein friedlicher, geräuschloser, unermüdlicher Antreiber zur Arbeit, er bewirkt auch, als die natürlichste

  1. L. R. Villermé: „Ein Bild von dem physischen und moralischen Zustand der Arbeiter in den Seiden-, Wollen- und Baumwollfabriken.“ (1840.) Nicht etwa weil die Dollfus, die Köchlin und andere elsässische Fabrikanten Republikaner, Patrioten und protestantische Philanthropen waren, behandelten sie ihre Arbeiter so; denn die Herren Blanqui, der Akademiker, Reybaud und Jules Simon haben ein gleiches Wohlleben bei den Arbeitern der sehr katholischen und sehr monarchischen Fabrikanten in Lille und Lyon konstatirt. Das sind kapitalistische Tugenden, die in entzückender Weise mit jeder politischen Richtung, mit jeder Religion harmoniren.
Empfohlene Zitierweise:
Paul Lafargue (übersetzt von Eduard Bernstein): Das Recht auf Faulheit. Schweizerische Genossenschaftsbuchdruckerei, Hottingen-Zürich 1884, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_recht_auf_faulheit-lafargue-1884.pdf/13&oldid=- (Version vom 21.5.2017)