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Urtheil im Allgemeinen gebildet, sie aber bisher nie zum Gegenstande einer eindringenden Untersuchung gemacht. Es handelte sich hier für mich darum, das Trinkgelderwesen als eine thatsächliche Einrichtung unseres Lebens einer wissenschaftlichen Kritik zu unterwerfen und darauf denselben Massstab der Beurtheilung zur Anwendung zu bringen, den die Wissenschaft überall an sie anzulegen berufen ist: den ihres socialen Werthes oder Unwerthes. Ich sah mich vergebens nach Arbeiten Anderer um, die mich dieser Mühe hätten überheben können, ich erinnerte mich nicht, jemals über das Trinkgeld etwas gelesen zu haben;[1] der Wissenschaft lag der Gegenstand offenbar zu tief, um ihre Blicke auf sich zu ziehen, und ich verdankte diesem Umstande den Reiz eines wenn auch nicht gerade sehr ergiebigen, so doch völlig unberührten Themas. Dieser Reiz und das Streben, dasselbe vollständig zu erschöpfen, führte mich weiter, als in meinem anfänglichen Plane lag, und als ich mit meiner Arbeit fertig war, überzeugte ich mich, dass das Mass ihrer Ausführlichkeit in keinem Verhältniss stand zu dem Interesse,

  1. Inzwischen hat Franz v. Holtzendorff in seinen geistvollen und anregenden „Politischen und unpolitischen Zeitglossen“ in der „Gegenwart“ (1881, Nr. 10) mit wenigen, aber treffenden Worten sich über den Gegenstand vernehmen lassen, und es freut mich, im Folgenden in den Punkten, wo wir übereinstimmen, auf ihn Bezug nehmen zu können.
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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)