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Bis zur Abschaffung der Trinkgelder in den öffentlichen Erholungslocalen versteigen sich meine Pläne zur Zeit noch nicht. Wenn erst die Gasthöfe von Trinkgeldern gereinigt sind, wird auch wohl ihre Stunde geschlagen haben, und im Geist sehe ich schon den speculativen Kopf voraus, der durch öffentliche Bekanntmachung und Anschlag in seinem Local dem Publikum die Mittheilung macht: „In meiner Wirthschaft wird fortan kein Trinkgeld mehr entrichtet, die Annahme desselben ist der Dienerschaft aufs strengste untersagt“ – er würde sicherlich, wenn er es sonst an dem Nöthigen nicht fehlen liesse, grossen Zulauf haben!


XV.

Ich wende mich dem Domestikentrinkgeld zu. Die Beseitigung desselben mag mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein, und ich unterschätze sie nicht, aber ich halte sie nicht für unüberwindlich; auch hier kommt es nur auf entschlossenen Willen an, dem Unfug ein Ende zu machen. Dazu bietet sich zunächst Jedem in seinem eigenen Hause

    öffnen lässt. Damit würde dem Drange von Gästen, welche sich für ungewöhnliche Dienstleistungen erkenntlich erweisen wollen, Genüge geschehen sein, der Zweck, den sie im Auge haben, konnte erreicht werden, ohne dass der Kellner genöthigt würde, die Vorschrift zu übertreten, und ohne dass er das Gefühl hätte, dass seine Dienstleistungen nicht entsprechend vergütet worden wären, sein persönlicher Lohn bestände in dem Gefühl, für einen guten Zweck gewirkt zu haben.

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)