Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ich mache davon die Anwendung auf das Trinkgeld. Wenn dasselbe eine mässige Höhe nicht übersteigt, mögen die nachtheiligen Folgen, die ich hier ausgeführt habe, allerdings nicht zu besorgen stehen, wenigstens fehlt mir jeder Anhaltspunkt dafür. Dagegen glaube ich dieselben in zwei Fällen constatiren zu können, wo für die Einnahme aus den Trinkgeldern die obige Bezeichnung eines excentrischen Erwerbs zutrifft. Der erste ist der oben genannte. Wenn eine Menschenclasse für eine kleine Mühewaltung, die weder körperliche Anstrengung noch ungewöhnliche Geschicklichkeit erfordert, wie es bei einem Oberkellner in Bezug auf die Aufnahme und Ueberreichung einer Wirthshausrechnung und die Annahme des Betrages der Fall ist, eine Vergütung enthält, die den ökonomischen Werth derselben ins Ungemessene übersteigt, so muss dies nothwendigerweise den Massstab für den Werth des Geldes, der auf dem Gleichgewicht zwischen der Leistung und ihrem Aequivalent beruht, vollständig verrücken und jenen ökonomischen Grössenwahn, wie ich ihn oben nannte, hervorrufen, der durch masslose Ausgaben Auslass sucht. Der Aufwand dient hier nicht der blossen Genusssucht mehr, sondern der Eitelkeit: der Mann kann etwas draufgehen lassen. Die Mittel dazu sind ja vorhanden, was liegt an dem Gelde, das mit vollen Händen ausgestreut wird? Der morgende Tag bringt es in Masse wieder!

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/48&oldid=- (Version vom 31.7.2018)