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Abgesehen von diesem Charakterzug der socialen Anstössigkeit gilt von dem geselligen Trinkgeld dasselbe wie von dem geschäftlichen. Insbesondere trifft diese Uebereinstimmung auch für das oft schreiende Missverhältniss zwischen der Vergütung und der Dienstleistung sowie für die Kostspieligkeit zu. An Orten, wo ein hoher Satz für Trinkgelder üblich ist, erreichen letztere in Häusern mit einer ausgedehnten und glänzenden Geselligkeit nicht selten eine ganz exorbitante Höhe; der Ertrag eines einzigen Diners an Trinkgeldern beziffert sich hier oft auf hundert Mark und darüber, eine Summe, für welche andere Personen desselben Standes wochenlang arbeiten müssen! Der Satz für das einzelne Trinkgeld ist hier in einer ganz unnatürlichen Weise in die Höhe geschraubt, er lässt das Gasthofstrinkgeld noch weit hinter sich. So erklärt es sich, dass der Jahresbetrag an Trinkgeldern bei einer ausgedehnten Geselligkeit eine Höhe erreichen kann, die sich mit dem Budget eines mässig bemittelten Mannes nicht mehr verträgt. Ich erinnere mich der Aeusserung eines pensionirten höheren Offiziers, der an einem dieser Orte lebte, dass er nicht in der Lage sei, an dem geselligen Verkehr derjenigen Kreise, auf die er seiner Stellung nach angewiesen sei, Theil zu nehmen, weil die hohen Trinkgelder für ihn unerschwinglich seien. Das Trinkgeld als Hemmniss des geselligen Verkehrs! – in der That eine

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/43&oldid=- (Version vom 31.7.2018)