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überall erst förmlich darüber informiren, wo es zu geben ist, um keinen Anstoss zu erregen; was hier üblich ist, ist es dort nicht. In manchen Gegenden gehört das Stubenmädchen im Gasthof mit zu den zu berücksichtigenden Personen, in anderen nicht, hier der aufwartende Kellner neben dem Zahlkellner, dort nicht. Bei meinem ersten Besuch Italiens vor einer langen Reihe von Jahren erinnere ich mich, dass die Postpassagiere sämmtlich dem Postillon eine Kleinigkeit als Trinkgeld verabreichten, bei meinen späteren Besuchen war die Sitte spurlos verschwunden. Es giebt keine andere Schöpfung unseres Lebens, die so gänzlich principlos wäre wie diese; jeder Versuch, irgend einen der Gesichtspunkte, die man dabei in Betracht ziehen könnte, streng durchzuführen, scheitert, man kommt stets wieder darauf zurück: die Sitte ist einmal so, weiter lässt sich nichts sagen. Bildete das blosse Wohlwollen das Motiv des Trinkgeldes, ich meine, es würden sich geeignetere Persönlichkeiten finden lassen, um dasselbe zu bethätigen, als Kellner und Hausknechte in Gasthöfen. Wäre es der Gedanke der Vergeltung, die Vergeltung müsste den Mann suchen, der die Dienste erwiesen hat, nicht er sie, und es müsste bei Abmessung derselben die Mühe und Arbeit, die er hat aufwenden müssen, wenigstens einigermassen in Betracht gezogen werden, während sich das Trinkgeld darüber gänzlich hinwegsetzt. Kurz:

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Rudolf von Jhering: Das Trinkgeld. Georg Westermann, Braunschweig 1882, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Trinkgeld.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)