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Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

und spätere türkische Geheimschreiber damit eigentlich gewollt hat. Sicherlich ist’s ein letzter Versuch, den preußischen Lehrer, den Bruder daheim, zum Islam zu bekehren. So fasse ich’s jedenfalls auf.“

Aber der Ingenieur schüttelte zweifelnd den Kopf. „Das glaube ich nicht,“ meinte er zögernd. „Dahinter steckt mehr. Die Fassung dieses Schreibens, das mir zuerst nur der ungewöhnlichen blauen Tinte wegen auffiel, ist so eigenartig, als ob dadurch ein anderer Zweck verborgen werden sollte.“

Selbst Frau Elsa, die bisher teilnahmlos dem Gespräch zugehört hatte, richtete sich jetzt etwas auf und bat mit matter Stimme: „Fritz, lies mir doch einmal den Brief vor! Ihr habt mich wirklich neugierig gemacht.“

Hilgener kam bereitwilligst ihrem Wunsche nach.

„Im Hafen von Navarino, am 19. Oktober 1827.

Lieber Bruder!

Die Flotte der Ungläubigen droht mit Vernichtung, und mein Leben ist nur den schwachen Planken eines Schiffes anvertraut. Vielleicht bleibt dieses der letzte Brief, den Du von mir erhältst. Bewahre ihn auf wie ein Heiligtum! Präge auch Deinem Gedächtnis die untenstehende Sure des Korans ein, lies sie immer wieder, bis der Geist Mohammeds Dich endlich erleuchtet und Deine Augen öffnet – zum Glück und Segen für Dich und Dein Haus!

Dein Bruder Jussuf Meinert.“

„So Schatz, das ist der Inhalt der ersten Hälfte des Blattes. Darunter kommen dann noch mehrere Zeilen, die leider mit türkischen Buchstaben geschrieben sind, wohl der erwähnte Abschnitt aus dem mohammedanischen Religionsbuch, die ich daher nicht zu entziffern vermag.“

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/27&oldid=- (Version vom 31.7.2018)