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Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9)

Das Tagebuch eines Irren.
Erzählung von Walther Kabel.


(Nachdruck verboten.)

Am Abend des 19. Oktober 1827 spannte sich über dem altberühmten, an der Westküste der griechischen Halbinsel Morea gelegenen Hafen von Navarino ein wolkenloser, sternbesäter Himmel aus, der sich in der kaum bewegten See mit flimmernden, hin und her schießenden Pünktchen widerspiegelte und die dort ankernde ägyptisch-türkische Flotte in ein ungewisses Dämmerlicht eintauchte. Nur eine in weitem Bogen aufgestellte stattliche Anzahl von hochbordigen Schiffsrümpfen war zu erkennen – die Linienschiffe, vor denen in größeren Abständen wieder eine zweite Reihe kleinerer Schoner als Vorposten an ihren Ankerketten träge schaukelte. Die abendliche Stille wurde nur selten durch die taktmäßigen Ruderschläge eines den Verkehr mit dem Lande unterhaltenden Bootes, die leisen Klänge eines Matrosenliedes oder das Knarren der Rahen unterbrochen.

Der warme Küstenwind trug vom Strande die berauschenden Düfte der schon im Altertum bekannten Rosengärten von Pylos bis zur Flotte hinüber, jenes Pylos, das zwar im Mittelalter seit der Ansiedlung der Navarresen den Namen gewechselt, damit aber weder sein wunderbar mildes Klima noch den Reichtum

Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Das Tagebuch eines Irren (Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Band 9). Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1908, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Tagebuch_eines_Irren.pdf/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)